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Raimund Kalinowski

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Ein Schritt vor und zwei zurück?

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Wenn Prof. Siegfried Windisch als Ergebnis einer mikrobiologischen Untersuchung „o.B.“ zu lesen bekam, pflegte er zu fragen, ob man die Probe versehentlich in den Papierkorb geworfen habe, bevor man sie auswerten konnte. Logisch nachvollziehbar führte er aus, dass zwar die alten Römer die Null nicht als Zahl ansahen, dass wir aber seit Einführung der arabischen Ziffern sehr wohl in der Lage seien eine „0“ zu schreiben und eine „0“ weniger Tinte und Zeit verbrauche, als das notieren von „o.B.“. Mediziner teilen Mikroorganismen nur in 2 Kategorien ein: in „böse“ und in „uninteressant“, da „uninteressant“ relativ lang ist, schreiben Mediziner dafür „o.B.“; vermutlich auch weil es irgendwie „wissenschaftlicher“ klingt.

Aber ist „o.B.“ in der Praxis dasselbe wie „0“? Hat die Angabe des Ergebnisses als o.B. irgendeinen Vorteil gegenüber der Null? So wie jedes Quadrat ein Rechteck ist, ist „o.B.“ das Rechteck, das manchmal auch ein Quadrat entsprechend der Keimzahl „0“ ist. Eindeutige Angaben werden nicht nur durch „glamouröse“ Mediziner, sondern auch durch die Verwendung einiger im anglo-amerikanischen Raum gebräuchlichen Angaben mehrdeutig.

Systeme sind historisch gewachsen

Auch für Leute die damit aufgewachsen sind, ist das anglo-amerikanische System nicht immer leicht verständlich. Dass die US-Gallone ein kleineres Volumen hat als die Imperial-Gallone ist allgemein bekannt, aber dass die US-Gallone aus 128 Unzen, die Imperial-Gallone aber aus 160 Unzen besteht und Getreide in Scheffel, einem Hohlmaß (US= 35,2391l; Imp.=36,3687l) verkauft wird, erinnert an die Zeit, als jedes Fürstentum in Deutschland seinen eigenen Zentner hatte. So wog vor dem Deutschen Zollverein ein Zentner in Sachsen 51,4 kg und in Braunschweig nur 46,77 kg. Und manche Kontinentaleuropäer erinnern sich noch daran, dass in England ein Schnapsglas 1/6 Gill und in Schottland ein 1/5 Gill fasste, d.h. in Schottland war das Schnapsglas um gut 47 ml größer. Es verwundert sicherlich kaum, dass in England ein Gill aus 5 Unzen besteht und ein US-Gill aus nur 4 Unzen. Der Amerikaner sagt zur Milliarde billion, der Engländer kennt hingegen eine milliard und so wird beim Amerikaner die Billion zur trillion und beim Engländer bleibt es bei einer billion. Möglicherweise ist es einfacher genügend Schriftzeichen zu erlernen, um die Yomiuri Shimbun lesen zu können?

Auch heute noch ist es bei vielen in Deutschland durchgeführten chemisch-technischen Analysen üblich, das Ergebnis in Milligramm pro Liter anzugeben. Früher ersparte man sich dadurch einige Rechenarbeit, die in der Vor-PC-Taschenrechnerzeit gerne vermieden wurde. Seit über 40 Jahren gehören Taschenrechner nicht mehr zu den Luxusgütern und eine Angabe z.B. in Milligramm pro Kilogramm wäre leicht errechenbar. Der Fehler zwischen mg/l und mg/kg ist häufig vernachlässigbar klein, da das Volumen sich regelmäßig auf Flüssigkeiten mit einer Dichte um eins bezieht.

Sicherlich würde man ein Ergebnis, das üblicherweise in mg/kg angegeben wird nicht in mg/l umrechnen, da die Bezugsbedingungen des Liters definiert sein müssen.

Macht es Sinn statt Milligramm pro Liter die in Nordamerika sehr beliebten Parts per Million (ppm) zu verwenden; sind ppm besser, genauer, einfacher zu schreiben oder mit weniger Rechenaufwand verbunden?

Die Angabe von ppm ist aber offensichtlich „cooler“ als mg/l? Aber ist es dasselbe ob man ppm oder mg/l schreibt oder sollte man die „ppm“-Angabe den Medizinern schenken?

Vorteil der Angabe: ppm

Wenn in einer Stadt 55% Frauen leben, wären dies 550.000ppm Frauen in der Stadt und grundsätzlich wäre diese Angabe deutlich einfacher zu verstehen als ein Masseverhältnis von z.B. 45 kg von 100kg Mensch in der Stadt sind weiblich. Ein Gewichtsvolumenverhältnis von 44,8 kg Frau je 100 l Mensch bei 8°C und einem Luftdruck von 1007 hPa wäre sicherlich noch unsinniger.

Bei Molverhältnissen ist die Angabe von ppm hingegen äußerst sinnvoll, diese Verwendung ist aber bis heute nur in der Umwelttechnik gebräuchlich. Wobei der CO2-Gehalt der Luft auch gerne in ppm angegeben wird, obwohl Volumenverhältnisse gemeint sind.

Nachteil der Angabe: ppm

Der CO2-Gehalt von Getränken wird in Deutschland meist in Gramm pro Liter angegeben, manchmal auch in Prozent und manchmal als Volumenverhältnis; d.h. ein CO2-Gehalt von 4 v/v bedeutet, dass in einem Liter Getränk sich 4 l gasförmiges CO2 befinden oder etwa 8g/l oder 0,8%. Wieviel ppm wären das aber nun? Man könnte statt 0,8% bzw. 8g/l auch von 8.000 ppm oder statt 4 v/v von 4.000.000 ppm sprechen; denn nun kommt es doch erheblich auf die Bezugsbedingungen an und bei atmosphärischen Bedingungen ist ein Gas meistens gasförmig.

Beispiel

Vor nicht allzulanger Zeit kam es zu einem Schadensfall in Millionenhöhe. Der Ausgang des darauffolgenden Streits mag überraschen.

Der Fall: Ein Lebensmittelhersteller hatte mit dem Lieferanten der technischen Gase die maximal zulässigen Verunreinigungen vereinbart, die Zahlenwerte orientierten sich an denen der Trinkwasserverordnung. Da das fertige Lebensmittel nur zu einem relativ kleinen Prozentsatz aus dem Gas besteht und der Gesetzgeber davon ausgeht, dass man regelmäßig relativ große Mengen an Trinkwasser konsumieren könnte, fühlte sich der Lebensmittelhersteller mit dieser Vorgehensweise sicher und erwartete in seinem Produkt Verunreinigungen durch das Gas, die etwa um den Faktor 1.000 geringer, als beim Trinkwasser zulässig, ausfallen würden. Bei einer jährlichen Routinekontrolle wurden aromatische Kohlenwasserstoffverbindungen in dem Lebensmittel gemessen. Der im Lebensmittel gefundene Wert lag etwa um den Faktor 10 unterhalb des Trinkwassergrenzwertes. Da keinerlei Gefahr für Konsumenten bestand entschied sich der Lebensmittelhersteller deshalb gegen eine Rückrufaktion. Er sperrte aber das gesamte im Lager befindliche Produkt, das eine ähnliche Konzentration an aromatischen Kohlenwasserstoffverbindungen aufwies, da zwar keine Gefahr für Leib und Leben bestand, aber die zulässigen internen Toleranzen deutlich überschritten waren. Relativ schnell wurde festgestellt, dass der Gaslieferant für die Kontamination „verantwortlich“ war. Nach Überzeugung des Lebensmittelherstellers war der Gehalt an aromatischen Kohlenwasserstoffverbindungen im gelieferten Gas 100mal höher, als im Vertrag vereinbart. Der Gaslieferant meldete den Schadensfall seiner Versicherung, die zur Unterstützung bei der Schadensbegutachtung/‑abwicklung einen externen Sachverständigen beauftragte. Inzwischen war so viel Zeit vergangen, dass das MHD des eingelagerten gesperrten Produktes eine Auslieferung nicht mehr zuließ.

Obwohl man den Zahlenwert aus der Trinkwasserverordnung übernahm, wählte man als Einheit ppm statt mg/l, in der Annahme, das sei dasselbe. Zur Definition der Angabe ppm wurde vertraglich eine „gebräuchliche“ Analysenvorschrift bestimmt, die jedoch aus den 30-er Jahren stammte und somit etwa 80 Jahre alt war. Hier war definiert, dass ppm als Volumenverhältnis bei genau definierten Umgebungsbedingungen zu verstehen sei. Bei diesen Umgebungsbedingungen ist das „schuldige“ Gas aber gasförmig und die Konzentration darf nun um etwa drei Zehnerpotenzen höher sein, bis der vereinbarte Grenzwert überschritten wird.

Obwohl die ppm des Vertrages klar definiert waren, hat kein einziges Labor die gefundenen Werte umgerechnet, sondern das Ergebnis entweder als mg/l oder als ppm (mit anderer Definition) angegeben.

Aus Sicht der Versicherung gab es aber nun weder eine Vertragsverletzung noch einen Versicherungsfall. Aus verständlichen Gründen akzeptierte der Lebensmittelhersteller zähneknirschend diese Tatsachenfeststellung.

Empfehlung:

In Costa Rica empfinden es die Leute als lustig, wenn sie erfahren, dass man in Deutschland Bananen nach Gewicht und nicht nach Stück kauft.

Prozentuale Angaben oder Mol-Verhältnisse sind häufig sehr sinnvolle Angaben.

Parts per Million (ppm) können sinnvoll nur verwendet werden, wenn sie genau spezifiziert werden und sich Laboratorien auch an diese Spezifikation halten. Wenn aber definiert wird, dass ppm z.B. mg/l bedeuten sollen, warum belässt man es nicht bei der Angabe mg/l?

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