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Raimund Kalinowski

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Haben Sie einen Plan?

Planung, Projektierung, Beratung

Vor einigen Jahren fand eine erste Projekt-Besprechung in großer Runde bei einer der größten Brauereien der Welt statt. Nachdem alle durcheinander geredet hatten sagte der weiße Leiter einer Projektgruppe: „Wenn wir (!) mit einem solchen Projekt anfangen, machen wir erst einmal einen Plan“, sein schwarzer Kollege konterte spontan mit der Aussage:“Wenn wir (!) mit einem solchen Projekt anfangen, dann haben wir einen Plan!“. In deutlich entspannterer Atmosphäre wurden hiernach Planungsaufgaben verteilt und Zuständigkeiten festgelegt.

Der größte Feind einer Planung ist die Annahme, man hätte nicht genügend Zeit, wobei doch Zeit und Intelligenz die beiden Dinge auf dieser Welt sind, die am gerechtesten verteilt sind; denn jedem steht dieselbe Menge Zeit zur Verfügung und man trifft äußerst selten Menschen, die von sich behaupten, nicht genügend Intelligenz zu besitzen.

Das Problem einer geordneten Planung ist meist, dass der Kunde seine Bedürfnisse und Wünsche nicht wirklich kennt und während der Planung und teilweise auch Ausführung versucht seine aktuellen Erkenntnisse noch in das laufende Projekt einfließen zu lassen. Selbstverständlich weiß der Kunde, dass er eine Kurzzeiterhitzungsanlage, einen Mixer oder eine Abfüllanlage kaufen will; aber er kann die Qualität einer solchen Anlage oder Maschine häufig nur unzureichend beschreiben. Lieferanten denken üblicherweise in Bauteilen, d.h. in Pumpen, Rohrleitungen, Ventilen, Schaltschränken usw.. Der Kunde denkt eigentlich in Funktionen: Er möchte sein Getränk haltbar machen und zwar so schonend, prozesssicher und kostengünstig wie möglich oder er möchte eine bestimmte Menge Flaschen abfüllen, unter Einhaltung der internen Qualitätsrichtlinien, unter Beachtung der Prozesssicherheit und zu möglichst niedrigen Kosten.

Bei nahezu allen Investitionen spielen die Kosten eine Rolle. Der Lieferant versteht dies sofort (?) und interpretiert dies als möglichst geringe Investitionskosten, obwohl der Kunde möglicherweise die Gesamtkosten inklusive der zu erwartenden Betriebskosten [„total costs of ownership“ - TCO] meint. Das der Kunde die Prozesssicherheit und die Einhaltung der internen Qualitätskriterien zuerst genannt hat, überhört oder überliest die Lieferant üblicherweise, da er glaubt zu wissen, was für den Kunden wichtig und richtig ist. Häufig nennt der Kunde diese beiden äußerst wichtigen Kriterien gar nicht mehr, weil er sie als selbstverständlich ansieht. Der Lieferant hingegen kümmert sich häufig primär um den Angebotspreis oder die als „Happy Engineering“ zu bezeichnenden, technischen Lösungen à la Mercedes Benz, d.h. Lösungen, die bis dahin niemand vermisst hat und eigentlich auch niemand braucht, wie z.B. den Einarmscheibenwischer vom 190-er oder Blinker in den Außenspiegeln. Diese technischen Spielereien können jedoch einen Auftrag entscheiden, falls es keine anderen, für den Kunden wichtigen Unterscheidungsmerkmale zwischen den Lieferanten gibt.

„Er führte die Arbeit stets nach seinen Vorstellungen und für ihn verständlich aus.“ Wenn ein Arbeitnehmer in seinem Zeugnis diesen Satz finden würde, würde man ihn zu Recht für vollkommen unfähig halten. Ein sehr großer Teil der deutschen Lieferanten verfasst genau nach diesen Kriterien Angebote und R+I Fließschemata [Rohrleitungs- und Instrumenten Fließbilder - engl.: piping and instrumentation diagram, Abk.: p+i d].

Als die DIN-Symbole für die R+I Schemata [DIN 2429 DIN EN ISO 10628 (bis 2001 DIN 28004, Teil 3)] entstanden, wurde noch am Zeichenbrett gearbeitet. Jedes einzelne Ventil und jedes einzelne Symbol wurde per Hand gezeichnet. Für häufig wiederkehrende Symbole oder Bauteile wurden Schablonen benutzt, um die Zeichenarbeit zu vereinfachen. Zahlreiche Firmen haben sich damals eigene zeilweise sehr einfach zu zeichnende Symbole ausgedacht und benutzen diese noch heute. Abb.1 [Bildunterschrift: R+I Symbole, links Scheibenventil mit pneumatischem Antrieb auf-zu (federrrückstellend nur bei B ersichtlich), rechts Scheibenventil mit Handbetätigung auf-zu: A-DIN, B-Kleiner Anlagenbauer, C-Großer internationaler Anlagenbauer]. Die Symbole nach DIN sind auch heute noch so aufgebaut, dass sie einfach manuell gezeichnet werden können. Bei der Verwendung von CAD-Programmen kann man auf umfangreiche Standard-Bibliotheken zurück greifen oder zeichnet ein neues Symbol nur ein einziges Mal, um es dann beliebig häufig zu verwenden. Zahlreiche Symbole sucht man in der DIN leider vergeblich. Weder Sinuspumpe, Drehkolben- oder Schraubenspindelpumpen findet man in der DIN, man müsste hier auf das Symbol Pumpe allgemein oder Verdrängerpumpe ausweichen. Abb. 2 [Bildunterschrift: Selbst erdachte Symbole für Sinuspumpe, Drehkolbenpumpe, Schraubenzentrifugalpumpe, Schraubenspindelpumpe, Drehschieberpumpe].

Das R+I Schema ist nicht nur ein buntes Bild, um den Kunden zu beeindrucken, sondern es sollte alle wichtigen Informationen für die Planung enthalten. Und es stellt für den Kunden einen erheblichen Unterschied dar, ob er eine hochwertige Drehkolben- oder aber eine Exzenterschneckenpumpe, für die es übrigens ein eigenes DIN-Symbol gibt, geliefert bekommt. Es bleibt jedoch dem für das R+I Schema Verantwortlichem überlassen, ob er allgemeine oder sofern vorhanden, spezielle Symbole verwendet. Da alle professionellen CAD-Programme Vektorgrafikprogramme sind, dürfen Symbole und natürlich auch die selbst erdachten Symbole relativ komplex sein, ohne nennenswerte Speichermengen zu verbrauchen. Abb.3 [Bildunterschrift: Jedes Symbol nur ein Mausklick, Separator, Flüssingringvakuumpumpenaggregat und Milchannahmewagen] Die „Zeichnungen“ in Abbildung 3 sind nur wenige Byte groß und auch bei mehrfacher Verwendung in einem R+I Schema werden sie nur ein einziges Mal gespeichert, da „Platzhalter“ sie beliebig oft in der Zeichnung anzeigen können. Obwohl die DIN ein Symbol z.B. für Zentrifugen bereit hält, kann es sinnvoll sein, ein eigenes Symbol zu verwenden, sofern es für den Kunden leichter verständlich ist.

Wenn Symbole verwendet werden, die weder norm- noch praxisgerecht sind, sollte man sich nicht nur als Kunde fragen, warum?

Erst Mitte der achtziger Jahre zogen Computer und Speicherschreibmaschinen in die Büroetagen ein. Bis dahin war die Bedienung von EDV-Systemen mehr oder weniger maschinenorientiert. Wenn man heute Angebote von großen, namhaften Firmen erhält, scheint die Entwicklung der vergangenen 25 Jahre an diesen Firmen spurlos vorbei gegangen zu sein. In der Anfangsphase der EDV gab es zahlreiche, von den Programmierern erdachte, Restriktionen. Da Speicherplatz und Rechenkapazität wertvoll waren, gab man dem Anwender freiwillig hiervon so wenig wie möglich ab. Selbst Dateinamen durften (betriebs-)systembedingt nur 8 Zeichen lang sein.

Angaben wie
„STF-DN50/DN50-Z-00-350/0/11-M/25-12N/52“ oder
„1 ST TR47-1BR12HRG000“ oder
„UNIQUE SSV DN-50 022 RA WELDED-WELDED 0.8/BLASTED SHUT OFF NORMALLY OPEN“,
sind Angaben, die ein deutscher Kunde in diesem Jahr von 3 verschiedenen, namhaften Herstellern als Artikelbezeichnung (!) im Angebot genannt bekam. [Anm.: Die Auswahl wurde wahllos getroffen und soll auf keinen Fall eine Wertung dieser Firmen darstellen. Alle drei Firmen sind anerkannte Marktführer mit einem ausgezeichneten Ruf!].

Angebote werden heute auf Kundenwunsch häufig per E-Mail übermittelt, Dateinamen sind dann die Angebotsnummern des Lieferanten, im Betreff wiederholen sich diese für den Kunden nichtssagenden Angebotsnummern, eventuell wird noch der Name des Angebotsempfängers oder die „aussagekräftige“ Formulierung „Ihre Anfrage“ hinzugefügt. Als Absender erscheinen im E-Mailprogramm üblicherweise Vor- und Zunamen von Personen, die dem Angebotsempfänger vollkommen unbekannt sind. Der Firmenname des Absenders findet sich möglicherweise im Begleittext der E-Mail. Das Angebot wird im pdf-Format übermittelt, damit der Empfänger es nicht verändern kann? Der größte Teil des Angebots besteht aus Normtext, der sich mehrfach wiederholt, da z.B. Ventile in verschiedenen Nennweiten oder Pumpen in verschieden Baugrößen aufgeführt werden. Unterschiede müssen, wie die Nadel im Heuhaufen, in diesen sonst vollkommen identischen Texten, mit kriminalistischem Spürsinn aufgespürt werden. Auf Seitenumbrüche, Heftränder oder in Deutschland übliche DIN-Papierformate wird keine Rücksicht genommen. Im Anhang finden sich noch 30 weitere Dateien mit Prospekten, die als Dateinamen die interne Bestellnummer des Lieferanten aufweisen. R+I Schemata werden ebenfalls als pdf-Datei abgespeichert. Wobei helle Farben auf schwarzem Grund für den Zeichner am Bildschirm augenschonend sein mögen, als Ausdruck sind gelbe Linien auf weißem Grund jedoch nur schwer zu erkennen.

Das einzig-moderne an vielen Angeboten ist die Auswahl der Schrifttype, die offensichtlich nach dem Kriterium der möglichst schlechten Lesbarkeit von der Marketingabteilung oder -agentur ausgewählt wurde. Ein kleines „l“ wie in lesbar, ein großes „I“ wie in Information und die Ziffer „1“, sind dabei vollkommen identisch, genauso wie der Buchstabe „O“ und die Ziffer „0“, die ebenfalls nicht zu unterscheiden sind. Verdana, eine Standardschrift, bei der alle Zeichen eindeutig zu unterscheiden sind, wird z.B. äußerst selten verwendet.

Nach Philip Kotler bezeichnet Marketing die Ausrichtung eines Unternehmens auf die Marktsituation. Marketing umfasst in der Wirtschaft alle Versuche, die Bedürfnisse potenzieller Kunden sowie anderer Anspruchsgruppen in die Entscheidungen einer Organisation einzubeziehen, um dadurch die gesetzten Ziele besser zu erreichen. „Auffallen durch Unverständlichkeit“, steht in dieser Definition jedoch nicht geschrieben und scheint auch nicht wirklich erfolgversprechend zu sein.

Ist es nun Arroganz oder Ignoranz die den Lieferanten, der eigentlich einen Kunden umwerben sollte, dazu bringt unverständliche R+I Schemata in Verbindung mit unverständlichen Angebotstexten zu versenden?

Gibt es hieraus einen Ausweg? Jeder Anbieter könnte sich einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil verschaffen, wenn er verständliche Zeichnungen und Angebotstexte als sehr kraftvolles Marketinginstrument begreifen würde. Marketing wird jedoch offensichtlich nur als vornehmeres Wort für Reklame [vom französischen réclamer: ausrufen, anpreisen] benutzt.

Wenn der Lieferant nicht gewillt ist in einer für den Kunden verständlichen Sprache zu sprechen, muss der Kunde die Initiative ergreifen.

Ausschreibungen zu erstellen oder erstellen zu lassen und damit die Lieferanten zu zwingen, etwas genau Definiertes anzubieten, führt ab einer gewissen Komplexität des Projektes mit Sicherheit nicht zum gewünschten Erfolg.

Es gibt nur zwei erfolgversprechende Lösungsansätze. Zum einen fragt man den Lieferanten so lange, bis der Lieferant einem erklärt hat, was er denn dort angeboten hat, oder man sucht sich professionelle Hilfe in Form eines Beraters, der diese Arbeit übernimmt und das Angebot in eine für den Kunden verständliche Sprache übersetzt. In beiden Fällen ist es außerordentlich wichtig, dass die „Übersetzung“ schriftlich festgehalten oder in anderer Form nachvollziehbar dokumentiert wird. Ein Satz, das zwangsfördende Pumpen prinzipiell Drehkolbenpumpen vom Hersteller Müller oder Schraubenspindelpumpen vom Hersteller Maier bedeuten, kann hierfür zunächst ausreichen.

Das eigentliche Ziel, nämlich eine Funktion, Einhaltung von Qualitätsnormen und Prozesssicherheit zu kaufen, sollte aber nie aus den Augen verloren werden. Gewandte [nicht zu verwechseln mit „geschickte“] Verkäufer versuchen gelegentlich diesen Punkt gegen den Kunden einzusetzen. Mit Hinweisen auf die „jahrzehntealte“ Erfahrung, über das Ablehnen von Garantien oder Behauptungen, dass das vom Kunde Gewünschte nicht funktioniere, zu teuer oder weniger betriebssicher wäre, als das Angebotene, wird der Kunde unter Druck gesetzt technische Lösungen zu akzeptieren, die er nicht haben will.

Der Kunde sollte Partner des Lieferanten sein. Auch wenn behauptet wird, der Anlagenbau wäre ein Käufermarkt, so lässt das Vorgehen zahlreicher Firmen und der sie vertretenden Vertriebsmitarbeiter einen häufig daran zweifeln. Die einzige wirkliche Macht die ein Kunde hat, nämlich sein Geld woanders auszugeben, sollte er ebenso nicht vergessen, wie die Tatsache, das Zeit und Intelligenz gerecht verteilt sind.

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© 2008 by Raimund Kalinowski