Pasteurisieranlagen
- 130 Jahre Entwicklungszeit zur Eliminierung des Heißhalters?
Im
Jahre 1876 veröffentliche Louis Pasteur verschiedene Arbeiten
über seine Untersuchungen am Bier. Er wies nach, dass die
alkoholische Gärung - ebenso wie der biologische Verderb
- an den lebenden Organismus gebunden ist. Durch Versuche stellte
er fest, dass die Mikroorganismen, die für die Gärung
und für die „Fäulnis“ des Bieres verantwortlich
sind, bei höheren Temperaturen absterben. Die Arbeiten
beschrieben eine Wärmebehandlung in der geschlossenen Flasche
bei Temperaturen von 69°C bis 75°C.
Seine
Erkenntnisse bildeten die Grundlage für die Herstellung
von Bier mit vorhersehbaren Qualitätseigenschaften, da
bis dahin die spontane Gärung die übliche Verfahrensweise
darstellte. Durch seine Erkenntnisse wurde der Grundstein für
die Hefereinzucht und eine kontrollierte Gärung geschaffen.
Die
damals gefundenen Abtötungsraten und die experimentell
ermittelten Temperaturen stellen noch heute den Stand der Technik
dar.
Empfindliche
Produkte werden noch heute in der Flasche oder Dose wärmebehandelt,
um sie vor mikrobiologischem Verderb zu schützen. Da es
aus physikalischen Gründen nicht möglich ist, das
Produkt in der Verpackung gleichmäßig zu erwärmen
und abzukühlen, werden die äußeren Bereiche
stärker erwärmt als der Kernbereich in der Packung.
Aus
· Produkt-Qualitätsgründen oder
· weil die Packung dafür nicht geeignet ist und
· wegen der geringeren Anschaffungs- und Betriebskosten,
wird das Produkt, wenn möglich, nur kurzzeiterhitzt und
dann entweder keimarm oder keimfrei abgefüllt.
Normales,
sorgfältig hergestelltes Bier, mit geringem Ausgangskeimgehalt,
das eine normale Bittere und einen normalen CO2- und Alkoholgehalt
aufweist, das nahezu endvergoren ist und bei dem auch die anderen
Parameter, wie z.B. der pH-Wert keine Auffälligkeiten aufweisen
sind mikrobiologisch sehr robust und werden teilweise sogar
in Dosen, ohne eine Pasteurisation in der fertig abgefüllten
Dose durchzuführen, vermarktet.
Empfindliche
Produkte, wie z.B. alkoholfreies Bier werden üblicherweise
in der fertig abgefüllten Packung pasteurisiert. Insbesondere
aus Qualitätsgründen erwägen einige Brauer empfindliche
Produkte wie z.B. alkoholfreies Bier aseptisch abzufüllen.
Viele Verbraucher haben sich an den Pasteurisationsgeschmack
im alkoholfreien Bier gewöhnt, dieser Geschmack kann auch
das Würzearoma in Bieren, die mit gestoppter Gärung
hergestellt werden, teilweise überlagern, so dass viele
Konsumenten ein solches Bier gegenüber einem aufwendiger
hergestellten und abgefüllten Bier bevorzugen. Da die Pasteurisation
in der abgefüllten Packung auch eine Art künstliche
Alterung darstellt, sind die Biere dadurch geschmacksstabiler.
Im außereuropäischen Ausland gibt es nicht wenige
„Bierkenner“, die gerade diese Biere als hochpreisige
Importbiere bevorzugen und sich an den Geschmack gewöhnt
haben. Wenn man die Qualität mit höchstmöglicher
Reproduzierbarkeit und Konstanz definiert, weisen diese Biere
eine hohe Qualität auf.
Die
meisten Brauer werden sich bei diesen Worten voller Schaudern
abgewendet haben, da die Qualität des Bieres in Deutschland
vornehmlich durch das nicht Vorhandensein eines Fehlaromas definiert
wird.
Für
normales Bier wird schon alleine aus Kostengründen weder
eine aseptische Abfüllanlage noch ein Tunnelpasteur in
Betracht kommen. Wegen der einfachen Handhabung und der geringeren
Betriebskosten verwenden sehr viele Brauereien statt einer entsprechende
Filtrationsanlage, einen Kurzzeiterhitzer.
Diese
Kurzzeiterhitzer sind meist Plattenwärmeübertrager
mit drei Abteilungen (Abb.1),
· der Regeneration,
· der Erhitzung mit nachgeschaltetem Heißhalter
und
· der Kühlung.
Die Erhitzung findet üblicherweise mit einem Sekundärkreislauf
statt, d.h. Wasser zirkuliert in einem geschlossenen Kreislauf
und wird durch Betriebsdampf- oder Heißwasser nachgeheizt.
Diese Regelung ist relativ träge. Deshalb wird der Volumenstrom
sehr sanft verändert, damit die Temperaturregelung, mit
akzeptablen Abweichungen vom Sollwert, folgen kann.
Temperaturfühler
sind je nach Bauart meist mehr oder weniger langsam oder sehr
langsam. Wundersamerweise nutzen die meisten Anlagenbauer die
technisch verfügbaren und wirtschaftlich sinnvollen Maßnahmen
der Temperaturerfassung selten aus. Auch die Einbauart und Positionierung
der Temperaturerfassung ist häufig mangelhaft.
Eine
PE-Regelung, d.h. eine Regelung nach Pasteurisationseinheiten
(PE) ist eigentlich eine Temperaturregelung, bei der die gewünschte
thermische Behandlung vorgegeben wird und die dazugehörige
Temperatur errechnet wird. Üblicherweise wird für
die PE-Berechnung nur der Heißhalter berücksichtigt,
wobei die thermische, keimtötende Behandlung nach Louis
Pasteur bereits bei 60°C einsetzt und diese Temperatur bereits
im Erhitzer bzw. in der Regeneration erreicht bzw. wieder unterschritten
wird. Bei üblichen Kurzzeiterhitzungsanlagen, mit Heißhaltezeiten
von ca. 30 Sekunden bei Nennleistung und gewünschten Pasteurisationseinheiten
(PE) von 15 bis 20, kommen noch etwa 1 bis 2,5 PE dazu, die
bei Temperaturen von oberhalb 60°C innerhalb der Wärmeübertragung
erzeugt werden.
Häufig
stimmt die installierte Heißhaltezeit mit der von der
Steuerung und vom Betreiber angenommenen Heißhaltezeit
von z.B. 30 Sekunden nicht überein. Zum einen werden sehr
häufig weder die Verbindungsrohrleitungen vom Wärmeübertrager
zum Heißhalter noch die Rohrbögen im Heißhalter
berücksichtigt und zum anderen werden die tatsächlichen
Rohrdurchmesser nicht beachtet.
Getränkeleitungsrohr
nach DIN 11850 Reihe 2 weist bei den Nennweiten 25; 65 und 80
jeweils einen Innendurchmesser auf, der um einen Millimeter
größer ist, als die Nennweitenangabe vermuten lässt,
bei der Nennweite DN 40 hingegen beträgt der Innendurchmesser
nur 38 mm. Teilweise wird auch noch Rohr nach der salopp bezeichneten
DIN 11850 „Schummelreihe“ verwendet, dies ist ein
relativ gebräuchliches Rohr, das den gleichen Außendurchmesser
wie das alte DIN Rohr nach DIN 11850 mit 1 mm Wandstärke
aufweist. Dieses Rohr ist in keiner DIN verzeichnet obwohl es
in vielen Katalogen als Rohr nach DIN 11850 bezeichnet wird.
Aus Kostengründen werden manchmal kürzere Heißhalter
mit entsprechend größerer Nennweite installiert.
Hier ist es - insbesondere wenn die Anlage nicht mit Nennleistung
betrieben wird - nicht immer eine turbulente Strömung gewährleistet.
Bei laminarer Strömung ist jedoch eine annähernd gleiche,
vorhersehbare Heißhaltezeit nicht zu erreichen. Teilweise
werden auch Heißhalter als Plattenpaket angeboten und
installiert.
Ein
Plattenapparat hat gegenüber einem Rohrbündel-Wärmeübertrager
unbestreitbare Vorteile,
· er ist kompakt,
· kann ggf. in Einzelteilen transportiert werden und
· viel Wärmeübertragungsfläche ist vergleichsweise
preisgünstig zu installieren.
Seine Hauptnachteile hingegen sind:
· Durch geringe Materialstärken der Platten und
fehlerhaften Betrieb, insbesondere beim Füllen von leeren
Apparaten und Rohrleitungen kommt es relativ häufig zu
Rissen in den Platten. Ein positives Druckgefälle (von
Gut nach Schlecht, d.h. von pasteurisiertem zu unpasteurisiertem
Produkt oder von Produkt zu Eiswasser etc.) ist deshalb absolut
zwingend erforderlich. Eine KZE muss deshalb immer mit einer
Druckerhöhungspumpe ausgestattet werden. Auch wenn weder
die CO2-Gehalte noch die Druckverluste im Apparat eine Druckerhöhung
erfordern würden, ist dies für den Produktschutz erforderlich.
· Apparate ab einem bestimmten Druckbereich so wie er
z.B. für die Bierpasteurisierung erforderlich ist, haben
immer Abstützungspunkte. Ein Metall auf Metall Kontakt
im Produktbereich bedeutet, dass hier ein kaum zu reinigender
Spalt vorliegt
· Die Strömungsverteilung innerhalb der Platte ist
nicht absolut gleichmäßig, es können Strömungsunterschiede
von etwa 20% auftreten, durch mehrere Umlenkungen werden diese
Ungleichmäßigkeiten jedoch weitgehend ausgeglichen
· Ein Dichtungswechsel ist mit einem relativ großen
Aufwand verbunden
Wenn
man den Plattenapparat jedoch nicht mit einem Rohrbündel-Wärmeübertrager
sondern als Heißhalter mit einer Rohrleitung vergleicht,
gibt es jedoch kaum Argumente dafür den Heißhalter
als Plattenpaket auszuführen.
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MS-Excel Arbeitsblatt Berechnung Pasteurisationseinheiten
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MS-Excel Arbeitsblatt Berechnung mittlere logarithmische Temperaturdifferenz
Selbst bei einer Anlage, die optimal ausgelegt wurde und bei
der die tatsächlich ausgeführte Installation nachgerechnet
wurde, kommt es durch die vorgenannten physikalischen Grenzen
zu unvermeidbaren Abweichungen in der thermischen Belastung
des Bieres. Aus diesen Gründen ist die übliche Heißhaltezeit
von 30 Sekunden sehr sinnvoll, da die mit der vorhandenen Technik
erzielbaren Ergebnisse hierdurch in einem Fenster von ±
10% gehalten werden können.
Die
Belichtung eines Fotos mit einer Belichtungszeit von einer 15tel
Sekunde und Blende 1,2 bringt etwa gleichviel Licht auf den
Film, wie eine Aufnahme mit einer Belichtungszeit von 16 Sekunden
und Blende 32. Die beiden Ergebnisse werden sich trotz korrekter
Belichtung deutlich unterscheiden, nicht nur in der Tiefenschärfe
sondern auch durch Streulicht, dass die Langzeitbelichtung negativ
beeinflusst. Am Ende des 19ten Jahrhunderts waren Objektive
mit Anfangsöffnungswerten von 1,2 nicht verfügbar,
so dass man Langzeitbelichtungen durchführen musste.
Ist
für Kurzzeiterhitzungsanlagen auch keine andere Technik
verfügbar?
Seit
1995 vertreibt die Meierei Trittau eine als „Die Längerfrische“
bezeichnete Vollmilch (ESL (extended shelf life) Milch) mit
einer für Milch sehr langen Mindesthaltbarkeit von 18 Tagen.
Trotz sehr hoher Pasteurisationstemperaturen, die mit denen
in UHT Anlagen vergleichbar sind, weist die Milch kaum den von
H-Milch her bekannten Kochgeschmack auf. Umfangreiche Versuche
mit Milch haben gezeigt, dass hohe Temperaturen und kurze Behandlungszeiten
besser für die Qualität der Milch sind. Die thermisch
empfindlichen Inhaltsstoffe wie Eiweißstoffe und Zucker
befinden sich auch im Bier. Wenn auch entsprechende wissenschaftlich
fundierte Untersuchungen fehlen, kann doch mit einer relativ
hohen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass auch für
Bier hohe Temperaturen bei entsprechend verkürzten Behandlungszeiten
positiv wären.
Die
für ESL-Milch eingesetzte Technik lässt sich leider
auf CO2-haltiges Bier nicht anwenden, da bei der Milchbehandlung
eine Unterdruckstufe zur schnellen Abkühlung eingesetzt
wird.
Die
bei der üblichen KZE unvermeidbaren Abweichungen verbieten
höhere Behandlungstemperaturen. Bei einer entsprechend
geänderter Technik ist es jedoch möglich, die Behandlungstemperatur
deutlich anzuheben. Beim Einsatz entsprechender Regelalgorithmen
ist eine KZE realisierbar, die vollkommen auf einen Heißhalter
verzichtet, denn die Pasteurisation findet hier ausschließlich
beim Erhitzen und dem sich direkt daran anschließendem
Abkühlen statt (Abb.2).
Die
Auslegung der Wärmeübertrager hat hier besonders sorgfältig
zu erfolgen. Da die gesamte Pasteurisation innerhalb der Wärmeübertrager
erfolgt, sind ein konstantes, bekanntes Volumen und eine vorhersehbar
gleichmäßige Strömung notwendig. Die Grenzflächentemperatur
sollte möglichst niedrig, d.h. sehr nahe an der maximalen
Pasteurisationstemperatur liegen. Diese Forderungen sind mit
einem Plattenwärmeübertrager nicht zu erreichen. Mit
noch empfindlicheren Produkten als Bier und Milch, nämlich
mit Frischei lässt sich diese Aussage sehr eindrucksvoll
beweisen. Wenn man dieselben Pasteurisationstemperaturen in
einem Plattenapparat anwendet, mit denen ein Rohrwärmeübertrager
betrieben werden kann, bekommt man kein pasteurisiertes Ei sondern
Rührei.
Durch
den Fortfall des Sekundärkreislaufs wird die Regelung schneller
und präziser. Da der Dampf nun direkt zur Erwärmung
des Bieres eingesetzt wird, verbessert sich der Wärmeübergang.
Da im Rohrbündel der Dampf sehr gleichmäßig
kondensiert, herrscht hier an der gesamten Rohroberfläche
die konstante Kondensationstemperatur vor. Wenn nun die Wärmeübertragungsfläche
bei entsprechender Bierfließgeschwindigkeit gleichgroß,
wie beim entsprechend ausgelegtem Plattenapparat, gewählt
wird, sinkt die maximal auftretende Grenzflächentemperatur.
Drücke lassen sich bei einem wirtschaftlich vertretbaren
Aufwand deutlich schneller und präziser messen als Temperaturen.
Deshalb wird die Dampfzufuhr primär über den Druck
geregelt.
Da
auch bei deutlich erhöhten Bierpasteurisationstemperaturen
die 100°C Grenze nicht erreicht wird, geschieht die direkte
Dampfbeheizung im Unterdruck. Der eingesetzte Rohrwärmeübertrager
ist somit kein Druckgerät. Der technische Aufwand, Luft
abzusaugen und das Kondensat im Unterdruck abzuführen ist
gering.
Der
Wärmerückgewinn des Plattenapparates wird relativ
niedrig gewählt, um eine möglichst schnelle Abkühlung
zu erreichen.
Die
Entwicklung hin zu immer höheren Wärmerückgewinnungsraten
wurde getrieben durch steigende Energiekosten. Durch die größeren
Regenerationen steigen die notwendigen Energiemengen für
das Anfahren der Anlage an. Die Produktverluste und damit verbundene
Abwasserkosten erhöhen sich beim An- und beim Abfahren
der Anlage bzw. beim Produktwechsel. Die CIP-Kosten verändern
sich nahezu direktproportional zur Größe der Regeneration.
Eine Erhöhung des Wärmerückgewinns von z.B. 93
auf 94% senkt die Betriebskosten erst nach einem mehrstündigen
Betrieb ohne Produktwechsel. Obwohl die absolute Summe der Mehrkosten
für eine größere Regeneration bei der Investition
gering ist, ist die Amortisationszeit trotzdem sehr lang, da
auch die Einsparung während des Betriebes sehr gering ausfällt.
Louis
Pasteur hat vor 130 Jahren seine Versuche durchgeführt.
Sein Ziel, die Fäulnis des Bieres einzuschränken,
ist ihm gelungen. Inzwischen stehen Möglichkeiten zur Verfügung
die Pasteurisationstemperatur deutlich anzuheben und auf den
Heißhalter komplett zu verzichten. Ob damit die erwarteten
Verbesserungen zu erzielen sind, müssten wissenschaftlich
begleitete Versuche zeigen.
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