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Raimund Kalinowski

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Mischen - Dosieren

"Sorgloser Anlagenbau - erfolgsversprechend?"

Eine Lese- und Rechtschreibstörung gilt international ebenso wie eine Rechenstörung als „Krankheit oder verwandtes Gesundheitsproblem“ und sie sind in der ICD-10 aufgelistet. Durch entsprechende Förderung können solche „Störungen“ in der Regel vollständig ausgeglichen werden. Oder anders ausgedrückt, wenn sich die Lehrer dem Lernverständnis der Schüler anpassen, kann der Schüler lesen, schreiben und rechnen problemlos erlernen. Wenn die Lehrmethodik, die für den Großteil der Lernenden entwickelt wurde bei einem kleineren Teil der Lernenden versagt, sind dann diese Lernenden „gestört“ oder ist das Lehren ungenügend und muss angepasst werden?

Wenn in zahlreichen Lehrveranstaltungen und Veröffentlichungen ausgeführt wird wie Misch- und Dosiereinrichtungen korrekt ausgeführt werden sollten und trotzdem Anlagen installiert werden, bei deren Planung alle Regeln missachtet werden, ist die Frage nach der Ursache sicherlich berechtigt. Eine mögliche Ursache wäre eine „Planungsstörung“, die jedoch bis jetzt nicht als Gesundheitsproblem in der ICD-10 aufgeführt ist. Aber vor 40 Jahren hat man auch bei der Legasthenie oder Dyskalkulie nicht von einer Behinderung oder einem Gesundheitsproblem, sondern von mangelnder Begabung für Zahlen oder Sprachen gesprochen. Wenn man statt von einer Lern- besser von einer Lehrstörung ausgeht, besteht die Chance, dass durch eine Methodenänderung des Lehrens, der zu vermittelnde Stoff problemlos gelernt werden kann.

Nachfolgend werden Fehler an tatsächlich ausgeführten Anlagen diskutiert, um durch den direkten Praxisbezug aufzuzeigen, wie man es hätte besser machen können.

Viele scheinen nach dem Motto zu leben: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, d.h. wenn sie etwa 70% der erforderlichen Information haben, dann laufen sie erst einmal los und passen danach Richtung und Ziel kontinuierlich an. Beim Militär oder in der Werbebranche mag dieses Vorgehen äußerst sinnvoll sein, bei den üblichen Gewinnmargen im Anlagenbau hingegen entspricht es dort einem Selbstmordkommando. Zunächst macht es natürlich Sinn, festzustellen welches die erforderlichen Informationen sind. Häufig wurde für die Verkaufspreisermittlung etwas angenommen, dass weder im Angebot noch in der Auftragsbestätigung steht und das auch nicht den Erfordernissen entspricht.

Lastenheft

Falls der Kunde kein Lastenheft zur Verfügung stellt, muss der Lieferanten die Daten erfragen. Das klingt zwar selbstverständlich, aber wenn der Kunde donnernd sagt: „Sie kennen doch unsere Produkte und wissen was wir brauchen“, dann ist die Antwort des Lieferanten in vielen Fällen vorhersehbar, kleinlaut knallt er die Hacken zusammen und begibt sich ohne Erkenntnisgewinn an die Arbeit. Eine Lösung aus dem Dilemma wäre neben einer Schulung des Mitarbeiters, die Fragen schriftlich zu stellen und die Antwort schriftlich einzufordern. In nahezu allen Angeboten steht sinngemäß, dass die Lieferzeit erst nach Festlegung/Klärung aller technischen Einzelheiten zu laufen beginnt. Warum wird dies ständig missachtet? Es kann nicht Aufgabe des Anlagenlieferanten sein die erforderlichen Daten beim Grundstofflieferanten zu erfragen. Wenn ein zu dosierender Stoff einen Eigennamen trägt, z.B. „Grundstoff Superturbo Teil 1“ und die Rezeptur dafür geheim ist, müssen trotzdem die für die Dosierung erforderlichen Daten vom Kunden besorgt und bekannt gegeben werden.

Der Kunde will in der Regel einen bestimmten Grundstoff in einer bestimmten Konzentration in einem Produkt haben. Dazu muss der Grundstoff möglicherweise vor der Dosierung mit Wasser verdünnt oder falls es ein Trockenstoff ist, in Wasser gelöst werden. Der Kunde sollte wissen, wie man die korrekte Dosierung überprüfen kann und wie sich das zu dosierende Produkt physikalisch verhält. Falls diese Informationen nicht zur Verfügung stehen, muss ein Vergleichsprodukt genannt werden, z.B. „der Grundstoff Superturbo Teil 1 verhält sich wie Aspartam“. Wenn es keine qualifizierte Analytik zur Konzentrationsbestimmung gibt, muss eine andere Verifizierung für die korrekte Dosierung installiert werden. Wenn eine geeignete Kontrolle fehlt, sollte nicht die zu liefernde Leistung reduziert, sondern eine geeignete Kontrolle gefunden werden, denn (grobe) Fehldosierungen fallen irgendwann jedem Kunden auf.

Sicherheitsstellung

Ordentlich geplante Anlagen werden so ausgeführt, dass im Falle eines Energieausfalls Bauteile in eine Sicherheitsstellung fahren. Der Gedanke, dass beim Not-Aus sofort alles ausgeschaltet werden muss, ist seit vielen Jahrzehnten überholt. Wer in einer U-Bahn die Notbremse zieht, weil ein Feuer ausgebrochen ist, akzeptiert dass es Sinn macht, wenn der Zug erst im nächsten Bahnhof stoppt, wo Hilfskräfte Zugang haben.

Misch- und Dosieranlagen sind meist so ausgeführt, dass sie keinen Not-Aus-Schalter benötigen. Aber trotzdem kann die Spannung oder die Druckluft ausfallen oder ein Kabel oder ein Luftschlauch werden abgerissen, sodass die Steuerung den Betriebszustand entweder nicht mehr kennt oder nicht mehr beherrschen kann. Wenn dieser Zustand auftritt, begehen viele Planer einen großen Fehler; Ihre Vorgabe lautet nämlich: „Alles Aus“, Ventile schließen und die Spannungszufuhr wird unterbrochen, d.h. die Ventile sind als federschließend [engl.: NC „normally closed“] ausgeführt und elektrische Schalter als Schließer [engl.: NO „normally open“].

Einfach ausgedrückt:

  • beim Ventil fließt bei Stellung „NC“ beim Energieausfall keine Flüssigkeit und
  • beim elektrischen Schalter (Schütz) fließt in Stellung „NO“ beim Energieausfall kein Strom.

Die deutschen Bezeichnungen sind möglicherweise hier einfacher und schneller zu verstehen, als die logisch entgegengesetzten englischen.

Wenn das Kabel zu einem Näherungsinitiator, der die Stellung eines Koppelbogens für die CIP-Stellung melden soll, abgerissen ist, kann die Steuerung bei Verwendung eines Schließers nicht mehr erkennen, ob das Kabel abgerissen oder der Bogen nicht gelegt ist. Elektrische Sicherheitskreise werden fachmännisch deshalb seit über 150 Jahren als Öffner [engl.: NC „normally closed“] ausgeführt. Eingesperrte Flüssigkeiten können sich bei Erwärmung ausdehnen oder eingesperrte karbonisierte Flüssigkeiten können den Sättigungsdruck unterschreiten und das Produkt verderben oder zu Betriebsstörungen führen. In sehr vielen Fällen ist die korrekte Sicherheitsstellung von Ventilen bei Energieausfall deshalb federöffnend [„NO“]. Wenn z.B. ein Tank am Anfang oder Ende einer Leitung vorhanden ist, macht es in den meisten Fällen Sinn, die komplette Produktleitung bei Energieausfall bis zu diesem Tank offen zu halten, d.h. sie wird ggf. am Anfang oder Ende geschlossen und die Ventile in der Leitung und am anderen Ende bleiben (federöffnend) offen, um kontrollierte Druckverhältnisse in der Leitung zu behalten.

Obwohl dies so trivial erscheint, wird es selten vollständig bei der Anlagenplanung beachtet. Bei der Verwendung von Scheibenventilen ist zu berücksichtigen, dass drehmomentoptimierte Antriebe für die Funktion federschließend oder federöffnend bestellt werden müssen, da sonst die Betriebssicherheit eingeschränkt ist. Ferner sollten nur Bauteile abgefragt werden, die auf den laufenden Prozess einen Einfluss haben können. Die „künstlerische Freiheit“ der Steuerungsleute, die gerne Anlagen tot verriegeln oder unsinnigerweise etwas ausschalten ohne dass dies verfahrenstechnisch erforderlich ist, sollte mit aller Macht unterbunden werden und darf auch vom Kunden nicht akzeptiert werden; das Vorgehen zahlreicher Steuerungstechniker entspricht nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik [a.a.R.d.T.] und ist ein erheblicher Sachmangel.

Mischbehälter

Das Mischbehälter nach den a.a.R.d.T. CIP-fähig sind, ist selbstverständlich und muss deshalb eigentlich weder in der Bestellung noch in der Auftragsbestätigung erwähnt werden. Wenn im Angebot und im Pflichtenheft (der Auftragsbestätigung) eine CIP-Sprühkugel aufgeführt ist, darf der Kunde auf die CIP-Fähigkeit vertrauen? Wenn der Mischbehälter für drucklosen Betrieb verkauft und so beim Vorlieferanten bestellt wird, ist er in aller Regel nicht CIP-fähig. Die Abbildungen 1 bis 3 zeigen, dass dieser Deckel im Bereich des Scharniers nicht dicht sein kann und die mittig am Behälterflansch angebrachte Dichtung lässt auf der Produktseite einen nicht reinigbaren unhygienischen Spalt, die Pressung der Dichtung wurde natürlich nicht berechnet und es gibt keinen metallischen Anschlag. Dass die Auslaufhöhe (Abb.4) auf der Zeichnung nicht bemaßt und viel zu niedrig ist, verwundert kaum. Um die Highlights nicht zu verwässern, wird hier nicht auf weitere Konstruktions-„Eigenheiten“ dieses mangelhaft geplanten und ausgeführten Behälters (Abb. 5) eingegangen.

Abb. 1 Deckel Mischbehälter: Dichtschnur mittig für unerwünschte Toträume zum Produktraum! Offene Scharnierkonstruktion.

Abb. 2 Deckel: Scharnier undicht bei CIP, deshalb NICHT cip-fähig

Abb. 3 ... nach CIP - cip-fähig heißt auch "dicht bei geringem Überdruck"

Abb. 4 Auslaufhöhe vollkommen ungenügend!

Abb. 5 Schweißnaht Behälter (geliefert von einem bedeutendem deutschen Anlagenbauer, "Made in Germany" laut Typenschild)

Rührwerk

Im einfachsten Fall soll das Rührwerk ein Entmischen von Stoffen verhindern, die sich eigentlich nicht entmischen. Häufig sollen jedoch Stoffe homogen miteinander vermischt oder Trockenstoffe gelöst werden. Regelmäßig sollen der Eintrag von Luft und die Schaumbildung minimiert werden. Mit der Beantwortung der Fragen von Rührwerksherstellern sind die Abwickler des Anlagenbauers in der Regel überfordert. Der Rührwerkshersteller verlangt, dass „weiche“ qualitative Anforderungen quantifiziert werden. Aber wenn der Anlagenbetreiber oder der Anlagenbauer dies nach Wunsch des Rührwerksherstellers definieren könnte, könnten sie das Rührwerk selbst bauen. Das Dilemma, dass Kunden und Lieferanten unterschiedliche Sprachen sprechen, ist nicht lösbar und führt gerade bei der Bestellung von Rührwerken sehr häufig zu vollkommen unbrauchbaren Lösungen. Im wesentlichen wird das Rührwerk durch drei Punkte definiert:

  • Art und Größe des Rührelements
  • Drehzahl
  • Leistung des Antriebs

Ein kleines einfaches Rührelement, hohe Drehzahl und kleine Antriebsleistung senken die Anschaffungskosten und die Wahrscheinlichkeit, dass es vernünftig funktioniert. Wenn man bedenkt, dass ein Küchen-Handmixgerät üblicherweise 300 bis 750 Watt aufweist und eine Küchenmaschine, die 2kg Mehl zu Hefeteig verarbeiten kann mit 1.600 Watt nicht wirklich überdimensioniert ist, kann man Antriebsleistungen von Rührwerken zumindest grob bewerten. Wenn in einem 200l Behälter ein unbekannter Trockenstoff gelöst werden soll und ein Rührwerk mit einem 3-flügeligen Propeller mit einem Durchmesser von 120mm in Kombination mit einem 250 Watt Getriebemotor mit 261min-1 angeboten wird, sollten aus normaler Lebenserfahrung Zweifel aufkommen, ob dies funktionieren kann. Wenn der Auftragsabwickler nun unsicher wird und deshalb dem Rührwerk einen Frequenzumformer spendiert, dann weiß er sicherlich nicht, dass bei reduzierter Drehzahl die Spannung sinkt und damit bei konstantem zulässigen Strom auch die (zulässige) Leistungsaufnahme sich verringert.

Abb. 6 Industrie-Membranpumpe zum Einsatz im Lebensmittelbereich

Abb. 7 kleiner dreiflügeliger Rührwerkspropeller

Dosierpumpen

(Kolben-)membranpumpen besitzen Ventile und die Ventile funktionieren auch abhängig vom zu dosierenden Produkt und von den Einstellungen der Pumpe, wie Drehzahl und Hub. Für einfache Dosieraufgaben, wie dem nachschärfen von CIP-Flüssigkeiten werden diese Pumpen gerne eingesetzt, auf die Eignung für diese Aufgabe wird hier nicht weiter eingegangen. Zur genauen Dosierung von Grundstoffen sind sie prinzipbedingt nur sehr eingeschränkt geeignet, insbesondere wenn man hohe Dosiergenauigkeiten wünscht, sind sie nicht die erste Wahl, da ein pulsierender Förderstrom keine Dosieraufgabe vereinfacht. Einfache Membranpumpen erfordern für kleine Förderleistungen nur einen relativ geringen Kaufpreis. Übliche (lebensmittel-)hygienische Anforderungen erfüllen die Pumpen im Niedrigpreissegment nicht. In der Regel wird in der Bedienungsanleitung auf die Zielgruppe z.B. in der industriellen nicht-hygienischen Anwendung hingewiesen. Aber lesen Planer die Bedienungsanleitung vor der Planung?

Strömungsgeschwindigkeiten

In der Hauptproduktleitung wird immer turbulente Strömung herrschen. Im Bereich der Dosierpumpe und den zu- und abführenden Leitungen ist dies schwieriger zu realisieren. Das zwangsfördernde Pumpen nach den a.a.R.d.T. über ein totraumfreies schaltbares Überströmventil eingebunden werden müssen, wird regelmäßig missachtet. Die Einbindung in den Hauptstrom ist sehr häufig ungenügend gelöst. Wenn die Strömungsgeschwindigkeit des Dosierstroms am Dosierpunkt zu niedrig ist, kommt es zu „Dosierwolken“ und nur wenn durch geeignete Puffertanks eine entsprechende Mischung stattfindet ist ein befriedigendes Dosierergebnis möglich. Wenn z.B. über ein gestuftes Doppelsitzventil über ein DN 40 Gehäuse 50l Grundstoff pro Stunde dosiert werden, ergibt sich am Mischpunkt eine mittlere Strömungsgeschwindigkeit von 0,01m/s und zwangsläufig eine inhomogene Mischung.

Fazit

Die Lehrmethoden sind mangelhaft, denn wenn sie nicht mangelhaft wären, würden qualifizierte Ingenieure nicht so viele und scheinbar einfache Fehler begehen und dann darauf beharren, dass die Ausführung fehlerfrei sei. Wenn Informationen von Kunden unzureichend sind und Programmierer sich für die besseren Verfahrenstechniker halten ist es gut, wenn der Planer einen Chef hat, der ihn „zieht“ statt zu „drücken“.

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© 2015 by Raimund Kalinowski