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Gebrauchtmaschinen
Wer einmal bei ebay herein schaut stellt fest, dass man nahezu
alles gebraucht kaufen kann. Die erzielbaren Preise sind häufig
nicht vorhersehbar und können nach dem eigenen Gefühl
sehr günstig aber auch utopisch hoch sein. Ein wichtiges
Kriterium beim Kauf ist sicherlich die Bewertung des Verkäufers
durch frühere Kunden, um zumindest einen Anhaltspunkt über
die Seriosität des Verkäufers zu erhalten.
In
der Brauerei kann nahezu jede Komponente der maschinellen Einrichtung
gebraucht ge- bzw. verkauft werden. Der Weg über eine Kleinanzeige
in einer Fachzeitschrift wird heute jedoch nur noch selten gewählt,
da man mit dem Tagesgeschäft genug zu tun hat, werden nicht
mehr benötigte Teile meist an Gebrauchtmaschinenhändler
verkauft und Gebrauchtmaschinen dort gesucht. Im Internet findet
man fast ausschließlich Händler. Ein „ebay für
Brauereimaschinen“ hat sich noch nicht etabliert.
Noch
vor 20 Jahren haftete dem Gebrauchtmaschinenhandel häufig
etwas unehrliches an. Und tatsächlich gab es bei einigen
Gebrauchtmaschinenhändlern beachtliche kriminelle Energie.
Zum Beispiel wurden zusammen mit dem Käufer Anlagen besichtigt
und die Inhalte der Typenschilder in den Vertrag übertragen.
Und tatsächlich bekam der Kunde diese Original-Typenschilder
geliefert, nur befanden sie sich jetzt an Maschinen, die der Kunde
nie gesehen hatte und auch nie gekauft hätte.
Auf
der Interbrau 1985 lief ein Gebrauchtmaschinenhändler mit
einem Kopfverband durch die Hallen, da ihm kurz zuvor ein „Geschäftspartner“
einen massiven Aschenbecher an den Kopf geworfen hatte.
So
wie windige Gebrauchtwagenhändler nicht mehr vornehmlich
auf kiesbeschütteten Plätzen am Stadtrand anzutreffen
sind und überwiegend über 10 Jahre alte Fahrzeuge mit
nur 30.000 km „Tachostand“ anbieten sondern inzwischen
auch in Glaspalästen der namhaften Vertragshändler sitzen,
so wird es nicht nur beim Autokauf immer schwieriger Schnäppchen
von „Gurken“ zu unterscheiden.
Die
Schnäppchenjagd wird durch die Medien ständig angefacht:
Skier oder Sportschuhe von der vergangenen Saison für 50
oder 70% unter der unverbindlichen Preisempfehlung sind inzwischen
normal.
Niemand
kann sich diesem Trend wirklich entziehen und der Konsumbereich
wird geistig schon lange nicht mehr vom Investitionsgüterbereich
getrennt. Kaum jemand ist bereit den Listenpreis oder einen Schätzpreis
zu bezahlen. Je höher die Angebotssumme desto höher
ist der erwartete prozentuale Preisnachlass.
Um
hohe Rabatte geben zu können, muss der Listenpreis von Neuanlagen
nur hoch genug angesetzt werden. So freuen sich beide Seiten,
wenn eine Verhandlungsmarge von 50% eingerechnet war und mit einem
Rabatt von 45% das Geschäft abgeschlossen wird. Inzwischen
sitzen die „guten Pokerspieler“ jedoch immer häufiger
im Einkauf und ihr „Spiel“ besteht darin, die Schmerzgrenze
des Lieferanten auszuloten, d.h. möglichst neben der Verhandlungsmarge
und dem errechneten Gewinn auch noch ein Stück vom Deckungsbeitrag
herauszuhandeln. Immer häufiger werden Lieferanten gezwungen
Aufträge unter Selbstkosten abzuschließen. Vielleicht
hoffen sie bei anderen Aufträgen dies zu kompensieren oder
durch geschicktes Verhandeln bei Unterlieferanten Kosten zu reduzieren.
Erfahrungsgemäß
bekommt jedoch meist der den Auftrag, der zu optimistisch gerechnet
hat. Die tatsächlichen Kosten sind häufig höher,
als in der Vorkalkulation angenommen. Ein erfolgreiches Unternehmen
im Anlagenbau erzielt heute eine Umsatzrendite von 4 bis 5 %,
viele Firmen liegen deutlich darunter, wie die Zahlungsunfähigkeit
vieler namhafter Unternehmen in der Vergangenheit gezeigt hat.
Wenn
man nun in Erwägung zieht eine Gebrauchtmaschine oder Anlage
zu kaufen, geht man im allgemeinen von diesem angenommenen Schnäppchen-Einkaufspreis
aus den man möglicherweise auf Messen oder Tagungen aufgeschnappt
hat. Hieraus versucht man ggf. unter Berücksichtigung der
Kosten für Demontage, Transport, Überholung, Installation
und Wieder-Inbetriebnahme seinen eigenen Gebrauchtmaschinen-Schnäppchenpreis
zu ermitteln. Häufig stellt man hierbei fest, dass der Einkaufspreis
sehr niedrig sein muss, damit er sich gegen eine neue Anlage rechnet.
Wer
eine Anlage verkaufen will, die nicht bereits vollständig
abgeschrieben ist, der orientiert sich häufig am Buchwert.
Gleichgültig ob nun linear, geometrisch degressiv oder arithmetisch
degressiv abgewertet wird, der Buchwert liegt in den ersten dreiviertel
des Abwertungszeitraums meist deutlich höher als der Verkehrswert.
Für
Käufer und für Verkäufer ist es sachdienlich den
Verkehrswert einer Maschine oder Anlage zu kennen. Der Verkehrswert
wird fast ausschließlich von Angebot und Nachfrage bestimmt.
Dies bedeutet auch, dass er innerhalb einiger Monate stark schwanken
kann. Für jemanden, der unter Zeitdruck etwas kaufen oder
verkaufen will, ist die Entwicklung des Marktpreises in der Vergangenheit
und die erwartete Entwicklung in der Zukunft ohne Interesse.
D.h.
wenn die neue Abfüllanlage bestellt ist, muss die alte Anlage
möglicherweise zu einem genau definierten Zeitpunkt demontiert
werden. Selbstverständlich könnte man die alte Anlage
einlagern und auf höhere Preise hoffen, ein solches Risiko
wird man jedoch nur eingehen, wenn man gesicherte Anhaltspunkte
für zukünftig deutlich steigende Marktpreise hat. Im
Normalfall verkauft man die Anlage zu dem Zeitpunkt, zu dem sie
nicht mehr benötigt wird und versucht die Demontage dem Käufer
zu überlassen. Auch ein Käufer wird kaum eine Abfüllanlage
auf „Vorrat“ kaufen und zunächst einlagern.
In
diesen Fällen reicht es häufig aus, sich durch einige
Angebote einen Marktüberblick zu verschaffen und entsprechend
abzuschließen.
Die
vorangegangenen Betrachtungen zeigen bereits, dass es einen Unterschied
macht, was man kaufen oder verkaufen will. Komplette Anlagen sind
anders zu betrachten als Einzelmaschinen oder Komponenten.
Pumpen,
Ventile und sonstige Armaturen - sowie eingeschränkt
auch Wärmeübertrager - können aus Betrieben,
die stillgelegt wurden, häufig zu sehr niedrigen Preisen
erworben werden, da die Nachfrage oft gering ist. Das Risiko,
bei diesen Komponenten etwas falsch zu machen, ist meist überschaubar.
Einzelmaschinen
hingegen, die einfach zu demontieren und zu montieren sind, unterliegen
nennenswerten Preisschwankungen. Obwohl sie mit relativ geringem
Aufwand eingelagert werden könnten wird dieser Weg selten
gewählt und der Preis orientiert sich auch an Angebot und
Nachfrage.
Bei
kompletten Anlagen ist entscheidend, wie einfach sie zu demontieren
und am neuen Standort wieder aufzustellen sind. D.h. hier wird
der Wert in großem Maße von den örtlichen Gegebenheiten
beim Verkäufer und beim Käufer (!) bestimmt.
Apparate
und Maschinen, die nicht brauereispezifisch sind, wie z.B. Dampfkessel
oder Druckluftkompressoren unterliegen weitaus geringeren Preisschwankungen,
da durch ein wesentlich größeres Angebot mit entsprechend
größerer Nachfrage das Marktvolumen und damit der Verkehrswert
deutlich weniger schwankt.
Wenn
eine Neuanschaffung ansteht, weil die Leistung der vorhandenen
Maschine oder Anlage nicht mehr ausreicht oder weil die vorhandene
verbraucht ist, kommt für viele nur eine fabrikneue Maschine
oder Anlage in Frage. Jedoch selbst große, namhafte Firmen
kaufen auch Gebrauchtanlagen. Teilweise werden Maschinen angeboten,
die nur wenige hundert oder tausend Betriebsstunden alt sind.
Je nach Grund der Veräußerung können dies echte
Schnäppchen sein. Meist ist die Kapitalverzinsung noch vor
den Lohnkosten die größte Position bei der Selbstkostenberechnung.
So kann eine günstig eingekaufte Gebrauchtanlage einen nicht
zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil bedeuten.
Bevor
man sich für eine gebrauchte Maschine oder Anlage entscheidet,
sollte man den Wert ermitteln. Die Wertermittlung soll nachfolgend
an einem stark vereinfachten Beispiel veranschaulicht werden.
Eine
Brauerei hat einen Mineralbrunnenbetrieb erworben, der bisher
nur Glasflaschen abfüllte. Um auch Erfahrungen für eine
eventuell spätere Abfüllung von Bier in PET-Flaschen
zu sammeln, entschließt man sich Süßgetränke
in nichtwiederbefüllbaren PET-Flaschen zu vermarkten. Der
Kauf einer gebrauchten Abfüllanlage wird erwogen. Nach Abwägung
der für den Betrieb wichtigen Faktoren erwirbt die Brauerei
eine neue komplette Abfüllanlage inkl. Getränkeaufbereitung,
installiert und in Betrieb genommen für zusammen 3,5 Mio.
Euro. Eine 14 Jahre alte Blasmaschine inkl. Zubehör wird
gebraucht für 500.000 Euro erworben, die Preisstellung beinhaltet
die Montage und Inbetriebnahme inkl. neuer Moulds für die
neu entworfene Individualflasche. Die Gesamt-Anlage wird mit Formatteilen
von 0,5 l bis 2 l und für eine Nennleistung von
10.000 Zweiliterflaschen pro Stunde erworben. Nach bereits einem
Jahr stellt sich heraus, dass der Markt ausschließlich die
0,5 l PET-Flasche verlangt. Inzwischen wird auf der Anlage im
Dreischichtbetrieb abgefüllt. Da die Anlage auch für
2,0 l Flaschen ausgelegt ist, sind einige Anlagenteile bezogen
auf die 0,5 l Flasche nicht optimal ausgelegt. Die Anlage läuft
an ihrer Kapazitätsgrenze und der Betreiber erwägt deshalb
die komplette Anlage oder Teile davon auszutauschen.
Er
stellt fest: Blasmaschine, Flaschentransport, Etikettierung und
Trockenteil sind für die angestrebte Leistung von 20.000
Flaschen/h á 0,5 l zu klein. Der Füller hat zwar eine
zu große Teilung, könnte aber die 20.000 Flaschen pro
Stunde schaffen. Die Getränkeaufbereitung ist für 22.000
l/h ausgelegt und wäre auch für 20.000 Fl./h noch deutlich
überdimensioniert.
Die
variablen Kosten, hauptsächlich bestehend aus Energiekosten,
CIP-Kosten und Produktverlusten beim Produktwechsel ließen
sich durch Einsatz einer passenden Getränkeausmischung um
ca. 40.000,- Euro im Jahr reduzieren.
Der
Hersteller des vorhandenen Füllers gibt eine Stundenleistung
von 19.500 Halbliterflaschen bei einer Temperatur von 12°C
an. Deshalb wird davon ausgegangen, dass im Jahr etwa 10.000 Euro
für die Kühlung des Getränks anfielen, falls der
Füller weiter betrieben würde.
Bei
der Wertermittlung werden zunächst die Anschaffungskosten
hinsichtlich der Marktüblichkeit bewertet, die Kosten der
Montage und Inbetriebnahme sowie der Demontage werden abgezogen
und eine eventuelle Marktpreisänderung (früher Preissteigerung)
wird hinzugerechnet. Somit ergibt sich in diesem Beispiel für
die komplette Anlage nach einem Jahr ein bereinigter Neuwert von
2,7 Millionen Euro als rechnerischer ab Werk Preis. Bei einer
arithmetisch degressiven Abwertung über 8 Jahre und einem
angenommenen Restwert nach 8 Jahren von 250.000 Euro ergibt sich
nach einem Jahr ein Wert von 2,16 Millionen Euro.
[Anm.: ein Excelarbeitsblatt zur Berechnung der Abwertung kann
unter
http://www.sachverstand-gutachten.de/wissenswertes/abwertung.xls
aus dem Internet herunter geladen werden. Die arithmetisch degressive
Abwertung stellt einen relativ realistischen Wertverlauf dar,
wobei insbesondere bei relativ neuen Anlagen die ermittelten Werte
häufig zu hoch sind.]
Nicht wiederverwendbare Formatteile für Individualflaschen,
Etiketten etc. werden abgezogen. Wiederverwendbare Teile werden
bewertet in wieweit sie verbreitet oder marktüblich sind,
so ist die Verpackung zu einem 6-Pack wesentlich gebräuchlicher
als z.B. eine 36 Stück-Verpackung. Der Zustand der Anlage
und andere wertbestimmende Faktoren werden berücksichtigt
und es wird ein Wert von 1,75 Millionen Euro ohne Berücksichtigung
des Marktfaktors festgestellt. Die Bewertung der Blasmaschine
hingegen beruht weitgehend auf ihren Zustand und der Marktgängigkeit.
D.h. hier wird keine Abwertung vom 14ten auf das 15te Betriebsjahr
vorgenommen, jedoch werden auch hier die Montage- und Demontagekosten,
Kosten der Moulds (Spritzformen) etc. abgezogen. Es wird ein Wert
von 200.000,- Euro ermittelt.
Der
Marktfaktor wird mit 0,75 bis 0.85 angesetzt, wenn die Anlage
komplett verkauft wird. Wenn sie ohne Füller oder ohne Getränkeaufbereitung
oder Blasmaschine angeboten würde, würde der Marktwert
prozentual um mindestens weitere 10% sinken, so dass der Verkäufer
sich entschließt sie komplett anzubieten. D.h. der Wert
beträgt eigentlich etwa 1,95 Millionen Euro; der Verkehrswert
unter Berücksichtigung der Marktsituation ist jedoch nur
1,45 bis 1,65 Millionen Euro.
Neben
dem Kaufpreis muss der Käufer die Kosten des Transportes,
der Montage und Wieder-Inbetriebnahme sowie die Kosten der Anpassung
übernehmen. Diese Kosten werden häufig unterschätzt
und können bei einer solchen Anlage leicht 50% des Kaufpreises
übersteigen, so dass diese Beispielanlage dem Käufer
etwa 2,5 Millionen Euro kosten würde, bis sie wieder in Produktion
ginge.
Der
Marktfaktor berücksichtigt, ob das Angebot größer
ist als die Nachfrage oder umgekehrt. Kurz nach der Wiedervereinigung
lag dieser Marktfaktor teilweise bei 1,5. Damals waren die Anlagen
für den Käufer unverhältnismäßig teuer.
Diese hohen Preise wurden aber wegen der langen Lieferzeiten von
Neuanlagen häufig akzeptiert.
Bei
Neuanlagen ist es üblich einen Festpreis inkl. Montage und
Inbetriebnahme zu vereinbaren. Bei Gebrauchtanlagen ist die Versuchung
immens, insbesondere wenn die Anlage über einen Gebrauchtmaschinenhändler
eingekauft wird, dies auch hier zu vereinbaren. Das Risiko für
beide Seiten ist jedoch relativ groß, so dass bei Projektende
häufig alle Beteiligten nicht besonders glücklich sind.
Selbst bei sorgfältigster Vertragsgestaltung sind Meinungsverschiedenheiten
über die zu erbringende Leistung keine Seltenheit sofern
man nicht einen Lieferanten findet, der Bereit ist einen Vertrag,
vergleichbar mit dem über die Lieferung, Inbetrieb- und Abnahme
einer Neuanlage, abzuschließen. Sollte man keinen Lieferanten
finden, der einen solchen Vertrag abschließen will, könnte
man z.B. die Arbeitsleistung pauschal einkaufen und das benötigte
Material nach tatsächlichem Aufwand abrechnen. Andernfalls
kann es Diskussionen darüber geben welche Teile ersetzt werden
müssen und welche nicht. Ausdrücke wie generalüberholt
oder werksüberholt werden gerne unterschiedlich interpretiert
und können nicht empfohlen werden.
Echte
Schnäppchen sind selten. Die Vorraussetzung für ein
erfolgreiches Geschäft ist die realistische Einschätzung
des Marktes. Falls Wertgutachten verwendet werden, müssen
sie logisch nachvollziehbar und überprüfbar sein! Da
gewisse Annahmen, wie z.B. die Wiederverwendbarkeit von Zubehör
den Wert stark beeinflussen können, muss immer das vollständige
Gutachten und nicht nur die Zusammenfassung betrachtet werden.
Falls man befürchtet ein Gefälligkeitsgutachten präsentiert
zu bekommen, sollte man es besonders kritisch prüfen (lassen).
Auch
der Kauf einer Neuanlage ist nicht ganz risikofrei. Durch entsprechende
Vor- und Umsicht kann aber auch der Kauf einer Gebrauchtanlage
eine höchst profitable Entscheidung darstellen.
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