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Raimund Kalinowski

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Gebrauchtmaschinen


Wer einmal bei ebay herein schaut stellt fest, dass man nahezu alles gebraucht kaufen kann. Die erzielbaren Preise sind häufig nicht vorhersehbar und können nach dem eigenen Gefühl sehr günstig aber auch utopisch hoch sein. Ein wichtiges Kriterium beim Kauf ist sicherlich die Bewertung des Verkäufers durch frühere Kunden, um zumindest einen Anhaltspunkt über die Seriosität des Verkäufers zu erhalten.

In der Brauerei kann nahezu jede Komponente der maschinellen Einrichtung gebraucht ge- bzw. verkauft werden. Der Weg über eine Kleinanzeige in einer Fachzeitschrift wird heute jedoch nur noch selten gewählt, da man mit dem Tagesgeschäft genug zu tun hat, werden nicht mehr benötigte Teile meist an Gebrauchtmaschinenhändler verkauft und Gebrauchtmaschinen dort gesucht. Im Internet findet man fast ausschließlich Händler. Ein „ebay für Brauereimaschinen“ hat sich noch nicht etabliert.

Noch vor 20 Jahren haftete dem Gebrauchtmaschinenhandel häufig etwas unehrliches an. Und tatsächlich gab es bei einigen Gebrauchtmaschinenhändlern beachtliche kriminelle Energie. Zum Beispiel wurden zusammen mit dem Käufer Anlagen besichtigt und die Inhalte der Typenschilder in den Vertrag übertragen. Und tatsächlich bekam der Kunde diese Original-Typenschilder geliefert, nur befanden sie sich jetzt an Maschinen, die der Kunde nie gesehen hatte und auch nie gekauft hätte.

Auf der Interbrau 1985 lief ein Gebrauchtmaschinenhändler mit einem Kopfverband durch die Hallen, da ihm kurz zuvor ein „Geschäftspartner“ einen massiven Aschenbecher an den Kopf geworfen hatte.

So wie windige Gebrauchtwagenhändler nicht mehr vornehmlich auf kiesbeschütteten Plätzen am Stadtrand anzutreffen sind und überwiegend über 10 Jahre alte Fahrzeuge mit nur 30.000 km „Tachostand“ anbieten sondern inzwischen auch in Glaspalästen der namhaften Vertragshändler sitzen, so wird es nicht nur beim Autokauf immer schwieriger Schnäppchen von „Gurken“ zu unterscheiden.

Die Schnäppchenjagd wird durch die Medien ständig angefacht: Skier oder Sportschuhe von der vergangenen Saison für 50 oder 70% unter der unverbindlichen Preisempfehlung sind inzwischen normal.

Niemand kann sich diesem Trend wirklich entziehen und der Konsumbereich wird geistig schon lange nicht mehr vom Investitionsgüterbereich getrennt. Kaum jemand ist bereit den Listenpreis oder einen Schätzpreis zu bezahlen. Je höher die Angebotssumme desto höher ist der erwartete prozentuale Preisnachlass.

Um hohe Rabatte geben zu können, muss der Listenpreis von Neuanlagen nur hoch genug angesetzt werden. So freuen sich beide Seiten, wenn eine Verhandlungsmarge von 50% eingerechnet war und mit einem Rabatt von 45% das Geschäft abgeschlossen wird. Inzwischen sitzen die „guten Pokerspieler“ jedoch immer häufiger im Einkauf und ihr „Spiel“ besteht darin, die Schmerzgrenze des Lieferanten auszuloten, d.h. möglichst neben der Verhandlungsmarge und dem errechneten Gewinn auch noch ein Stück vom Deckungsbeitrag herauszuhandeln. Immer häufiger werden Lieferanten gezwungen Aufträge unter Selbstkosten abzuschließen. Vielleicht hoffen sie bei anderen Aufträgen dies zu kompensieren oder durch geschicktes Verhandeln bei Unterlieferanten Kosten zu reduzieren.

Erfahrungsgemäß bekommt jedoch meist der den Auftrag, der zu optimistisch gerechnet hat. Die tatsächlichen Kosten sind häufig höher, als in der Vorkalkulation angenommen. Ein erfolgreiches Unternehmen im Anlagenbau erzielt heute eine Umsatzrendite von 4 bis 5 %, viele Firmen liegen deutlich darunter, wie die Zahlungsunfähigkeit vieler namhafter Unternehmen in der Vergangenheit gezeigt hat.

Wenn man nun in Erwägung zieht eine Gebrauchtmaschine oder Anlage zu kaufen, geht man im allgemeinen von diesem angenommenen Schnäppchen-Einkaufspreis aus den man möglicherweise auf Messen oder Tagungen aufgeschnappt hat. Hieraus versucht man ggf. unter Berücksichtigung der Kosten für Demontage, Transport, Überholung, Installation und Wieder-Inbetriebnahme seinen eigenen Gebrauchtmaschinen-Schnäppchenpreis zu ermitteln. Häufig stellt man hierbei fest, dass der Einkaufspreis sehr niedrig sein muss, damit er sich gegen eine neue Anlage rechnet.

Wer eine Anlage verkaufen will, die nicht bereits vollständig abgeschrieben ist, der orientiert sich häufig am Buchwert. Gleichgültig ob nun linear, geometrisch degressiv oder arithmetisch degressiv abgewertet wird, der Buchwert liegt in den ersten dreiviertel des Abwertungszeitraums meist deutlich höher als der Verkehrswert.

Für Käufer und für Verkäufer ist es sachdienlich den Verkehrswert einer Maschine oder Anlage zu kennen. Der Verkehrswert wird fast ausschließlich von Angebot und Nachfrage bestimmt. Dies bedeutet auch, dass er innerhalb einiger Monate stark schwanken kann. Für jemanden, der unter Zeitdruck etwas kaufen oder verkaufen will, ist die Entwicklung des Marktpreises in der Vergangenheit und die erwartete Entwicklung in der Zukunft ohne Interesse.

D.h. wenn die neue Abfüllanlage bestellt ist, muss die alte Anlage möglicherweise zu einem genau definierten Zeitpunkt demontiert werden. Selbstverständlich könnte man die alte Anlage einlagern und auf höhere Preise hoffen, ein solches Risiko wird man jedoch nur eingehen, wenn man gesicherte Anhaltspunkte für zukünftig deutlich steigende Marktpreise hat. Im Normalfall verkauft man die Anlage zu dem Zeitpunkt, zu dem sie nicht mehr benötigt wird und versucht die Demontage dem Käufer zu überlassen. Auch ein Käufer wird kaum eine Abfüllanlage auf „Vorrat“ kaufen und zunächst einlagern.

In diesen Fällen reicht es häufig aus, sich durch einige Angebote einen Marktüberblick zu verschaffen und entsprechend abzuschließen.

Die vorangegangenen Betrachtungen zeigen bereits, dass es einen Unterschied macht, was man kaufen oder verkaufen will. Komplette Anlagen sind anders zu betrachten als Einzelmaschinen oder Komponenten.

Pumpen, Ventile und sonstige Armaturen - sowie eingeschränkt auch Wärmeübertrager - können aus Betrieben, die stillgelegt wurden, häufig zu sehr niedrigen Preisen erworben werden, da die Nachfrage oft gering ist. Das Risiko, bei diesen Komponenten etwas falsch zu machen, ist meist überschaubar.

Einzelmaschinen hingegen, die einfach zu demontieren und zu montieren sind, unterliegen nennenswerten Preisschwankungen. Obwohl sie mit relativ geringem Aufwand eingelagert werden könnten wird dieser Weg selten gewählt und der Preis orientiert sich auch an Angebot und Nachfrage.

Bei kompletten Anlagen ist entscheidend, wie einfach sie zu demontieren und am neuen Standort wieder aufzustellen sind. D.h. hier wird der Wert in großem Maße von den örtlichen Gegebenheiten beim Verkäufer und beim Käufer (!) bestimmt.

Apparate und Maschinen, die nicht brauereispezifisch sind, wie z.B. Dampfkessel oder Druckluftkompressoren unterliegen weitaus geringeren Preisschwankungen, da durch ein wesentlich größeres Angebot mit entsprechend größerer Nachfrage das Marktvolumen und damit der Verkehrswert deutlich weniger schwankt.

Wenn eine Neuanschaffung ansteht, weil die Leistung der vorhandenen Maschine oder Anlage nicht mehr ausreicht oder weil die vorhandene verbraucht ist, kommt für viele nur eine fabrikneue Maschine oder Anlage in Frage. Jedoch selbst große, namhafte Firmen kaufen auch Gebrauchtanlagen. Teilweise werden Maschinen angeboten, die nur wenige hundert oder tausend Betriebsstunden alt sind. Je nach Grund der Veräußerung können dies echte Schnäppchen sein. Meist ist die Kapitalverzinsung noch vor den Lohnkosten die größte Position bei der Selbstkostenberechnung. So kann eine günstig eingekaufte Gebrauchtanlage einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil bedeuten.

Bevor man sich für eine gebrauchte Maschine oder Anlage entscheidet, sollte man den Wert ermitteln. Die Wertermittlung soll nachfolgend an einem stark vereinfachten Beispiel veranschaulicht werden.

Eine Brauerei hat einen Mineralbrunnenbetrieb erworben, der bisher nur Glasflaschen abfüllte. Um auch Erfahrungen für eine eventuell spätere Abfüllung von Bier in PET-Flaschen zu sammeln, entschließt man sich Süßgetränke in nichtwiederbefüllbaren PET-Flaschen zu vermarkten. Der Kauf einer gebrauchten Abfüllanlage wird erwogen. Nach Abwägung der für den Betrieb wichtigen Faktoren erwirbt die Brauerei eine neue komplette Abfüllanlage inkl. Getränkeaufbereitung, installiert und in Betrieb genommen für zusammen 3,5 Mio. Euro. Eine 14 Jahre alte Blasmaschine inkl. Zubehör wird gebraucht für 500.000 Euro erworben, die Preisstellung beinhaltet die Montage und Inbetriebnahme inkl. neuer Moulds für die neu entworfene Individualflasche. Die Gesamt-Anlage wird mit Formatteilen von 0,5 l bis 2 l und für eine Nennleistung von 10.000 Zweiliterflaschen pro Stunde erworben. Nach bereits einem Jahr stellt sich heraus, dass der Markt ausschließlich die 0,5 l PET-Flasche verlangt. Inzwischen wird auf der Anlage im Dreischichtbetrieb abgefüllt. Da die Anlage auch für 2,0 l Flaschen ausgelegt ist, sind einige Anlagenteile bezogen auf die 0,5 l Flasche nicht optimal ausgelegt. Die Anlage läuft an ihrer Kapazitätsgrenze und der Betreiber erwägt deshalb die komplette Anlage oder Teile davon auszutauschen.

Er stellt fest: Blasmaschine, Flaschentransport, Etikettierung und Trockenteil sind für die angestrebte Leistung von 20.000 Flaschen/h á 0,5 l zu klein. Der Füller hat zwar eine zu große Teilung, könnte aber die 20.000 Flaschen pro Stunde schaffen. Die Getränkeaufbereitung ist für 22.000 l/h ausgelegt und wäre auch für 20.000 Fl./h noch deutlich überdimensioniert.

Die variablen Kosten, hauptsächlich bestehend aus Energiekosten, CIP-Kosten und Produktverlusten beim Produktwechsel ließen sich durch Einsatz einer passenden Getränkeausmischung um ca. 40.000,- Euro im Jahr reduzieren.

Der Hersteller des vorhandenen Füllers gibt eine Stundenleistung von 19.500 Halbliterflaschen bei einer Temperatur von 12°C an. Deshalb wird davon ausgegangen, dass im Jahr etwa 10.000 Euro für die Kühlung des Getränks anfielen, falls der Füller weiter betrieben würde.

Bei der Wertermittlung werden zunächst die Anschaffungskosten hinsichtlich der Marktüblichkeit bewertet, die Kosten der Montage und Inbetriebnahme sowie der Demontage werden abgezogen und eine eventuelle Marktpreisänderung (früher Preissteigerung) wird hinzugerechnet. Somit ergibt sich in diesem Beispiel für die komplette Anlage nach einem Jahr ein bereinigter Neuwert von 2,7 Millionen Euro als rechnerischer ab Werk Preis. Bei einer arithmetisch degressiven Abwertung über 8 Jahre und einem angenommenen Restwert nach 8 Jahren von 250.000 Euro ergibt sich nach einem Jahr ein Wert von 2,16 Millionen Euro.
[Anm.: ein Excelarbeitsblatt zur Berechnung der Abwertung kann unter
http://www.sachverstand-gutachten.de/wissenswertes/abwertung.xls aus dem Internet herunter geladen werden. Die arithmetisch degressive Abwertung stellt einen relativ realistischen Wertverlauf dar, wobei insbesondere bei relativ neuen Anlagen die ermittelten Werte häufig zu hoch sind.]
Nicht wiederverwendbare Formatteile für Individualflaschen, Etiketten etc. werden abgezogen. Wiederverwendbare Teile werden bewertet in wieweit sie verbreitet oder marktüblich sind, so ist die Verpackung zu einem 6-Pack wesentlich gebräuchlicher als z.B. eine 36 Stück-Verpackung. Der Zustand der Anlage und andere wertbestimmende Faktoren werden berücksichtigt und es wird ein Wert von 1,75 Millionen Euro ohne Berücksichtigung des Marktfaktors festgestellt. Die Bewertung der Blasmaschine hingegen beruht weitgehend auf ihren Zustand und der Marktgängigkeit. D.h. hier wird keine Abwertung vom 14ten auf das 15te Betriebsjahr vorgenommen, jedoch werden auch hier die Montage- und Demontagekosten, Kosten der Moulds (Spritzformen) etc. abgezogen. Es wird ein Wert von 200.000,- Euro ermittelt.

Der Marktfaktor wird mit 0,75 bis 0.85 angesetzt, wenn die Anlage komplett verkauft wird. Wenn sie ohne Füller oder ohne Getränkeaufbereitung oder Blasmaschine angeboten würde, würde der Marktwert prozentual um mindestens weitere 10% sinken, so dass der Verkäufer sich entschließt sie komplett anzubieten. D.h. der Wert beträgt eigentlich etwa 1,95 Millionen Euro; der Verkehrswert unter Berücksichtigung der Marktsituation ist jedoch nur 1,45 bis 1,65 Millionen Euro.

Neben dem Kaufpreis muss der Käufer die Kosten des Transportes, der Montage und Wieder-Inbetriebnahme sowie die Kosten der Anpassung übernehmen. Diese Kosten werden häufig unterschätzt und können bei einer solchen Anlage leicht 50% des Kaufpreises übersteigen, so dass diese Beispielanlage dem Käufer etwa 2,5 Millionen Euro kosten würde, bis sie wieder in Produktion ginge.

Der Marktfaktor berücksichtigt, ob das Angebot größer ist als die Nachfrage oder umgekehrt. Kurz nach der Wiedervereinigung lag dieser Marktfaktor teilweise bei 1,5. Damals waren die Anlagen für den Käufer unverhältnismäßig teuer. Diese hohen Preise wurden aber wegen der langen Lieferzeiten von Neuanlagen häufig akzeptiert.

Bei Neuanlagen ist es üblich einen Festpreis inkl. Montage und Inbetriebnahme zu vereinbaren. Bei Gebrauchtanlagen ist die Versuchung immens, insbesondere wenn die Anlage über einen Gebrauchtmaschinenhändler eingekauft wird, dies auch hier zu vereinbaren. Das Risiko für beide Seiten ist jedoch relativ groß, so dass bei Projektende häufig alle Beteiligten nicht besonders glücklich sind. Selbst bei sorgfältigster Vertragsgestaltung sind Meinungsverschiedenheiten über die zu erbringende Leistung keine Seltenheit sofern man nicht einen Lieferanten findet, der Bereit ist einen Vertrag, vergleichbar mit dem über die Lieferung, Inbetrieb- und Abnahme einer Neuanlage, abzuschließen. Sollte man keinen Lieferanten finden, der einen solchen Vertrag abschließen will, könnte man z.B. die Arbeitsleistung pauschal einkaufen und das benötigte Material nach tatsächlichem Aufwand abrechnen. Andernfalls kann es Diskussionen darüber geben welche Teile ersetzt werden müssen und welche nicht. Ausdrücke wie generalüberholt oder werksüberholt werden gerne unterschiedlich interpretiert und können nicht empfohlen werden.

Echte Schnäppchen sind selten. Die Vorraussetzung für ein erfolgreiches Geschäft ist die realistische Einschätzung des Marktes. Falls Wertgutachten verwendet werden, müssen sie logisch nachvollziehbar und überprüfbar sein! Da gewisse Annahmen, wie z.B. die Wiederverwendbarkeit von Zubehör den Wert stark beeinflussen können, muss immer das vollständige Gutachten und nicht nur die Zusammenfassung betrachtet werden. Falls man befürchtet ein Gefälligkeitsgutachten präsentiert zu bekommen, sollte man es besonders kritisch prüfen (lassen).

Auch der Kauf einer Neuanlage ist nicht ganz risikofrei. Durch entsprechende Vor- und Umsicht kann aber auch der Kauf einer Gebrauchtanlage eine höchst profitable Entscheidung darstellen.

 


© 2005 by Raimund Kalinowski