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Haben Sie
einen Plan?
Planung,
Projektierung, Beratung
Vor
einigen Jahren fand eine erste Projekt-Besprechung in großer
Runde bei einer der größten Brauereien der Welt statt.
Nachdem alle durcheinander geredet hatten sagte der weiße
Leiter einer Projektgruppe: „Wenn wir (!) mit einem solchen
Projekt anfangen, machen wir erst einmal einen Plan“,
sein schwarzer Kollege konterte spontan mit der Aussage:“Wenn
wir (!) mit einem solchen Projekt anfangen, dann haben wir einen
Plan!“. In deutlich entspannterer Atmosphäre wurden
hiernach Planungsaufgaben verteilt und Zuständigkeiten
festgelegt.
Der
größte Feind einer Planung ist die Annahme, man hätte
nicht genügend Zeit, wobei doch Zeit und Intelligenz die
beiden Dinge auf dieser Welt sind, die am gerechtesten verteilt
sind; denn jedem steht dieselbe Menge Zeit zur Verfügung
und man trifft äußerst selten Menschen, die von sich
behaupten, nicht genügend Intelligenz zu besitzen.
Das
Problem einer geordneten Planung ist meist, dass der Kunde seine
Bedürfnisse und Wünsche nicht wirklich kennt und während
der Planung und teilweise auch Ausführung versucht seine
aktuellen Erkenntnisse noch in das laufende Projekt einfließen
zu lassen. Selbstverständlich weiß der Kunde, dass
er eine Kurzzeiterhitzungsanlage, einen Mixer oder eine Abfüllanlage
kaufen will; aber er kann die Qualität einer solchen Anlage
oder Maschine häufig nur unzureichend beschreiben. Lieferanten
denken üblicherweise in Bauteilen, d.h. in Pumpen, Rohrleitungen,
Ventilen, Schaltschränken usw.. Der Kunde denkt eigentlich
in Funktionen: Er möchte sein Getränk haltbar machen
und zwar so schonend, prozesssicher und kostengünstig wie
möglich oder er möchte eine bestimmte Menge Flaschen
abfüllen, unter Einhaltung der internen Qualitätsrichtlinien,
unter Beachtung der Prozesssicherheit und zu möglichst
niedrigen Kosten.
Bei
nahezu allen Investitionen spielen die Kosten eine Rolle. Der
Lieferant versteht dies sofort (?) und interpretiert dies als
möglichst geringe Investitionskosten, obwohl der Kunde
möglicherweise die Gesamtkosten inklusive der zu erwartenden
Betriebskosten [„total costs of ownership“ - TCO]
meint. Das der Kunde die Prozesssicherheit und die Einhaltung
der internen Qualitätskriterien zuerst genannt hat, überhört
oder überliest die Lieferant üblicherweise, da er
glaubt zu wissen, was für den Kunden wichtig und richtig
ist. Häufig nennt der Kunde diese beiden äußerst
wichtigen Kriterien gar nicht mehr, weil er sie als selbstverständlich
ansieht. Der Lieferant hingegen kümmert sich häufig
primär um den Angebotspreis oder die als „Happy Engineering“
zu bezeichnenden, technischen Lösungen à la Mercedes
Benz, d.h. Lösungen, die bis dahin niemand vermisst hat
und eigentlich auch niemand braucht, wie z.B. den Einarmscheibenwischer
vom 190-er oder Blinker in den Außenspiegeln. Diese technischen
Spielereien können jedoch einen Auftrag entscheiden, falls
es keine anderen, für den Kunden wichtigen Unterscheidungsmerkmale
zwischen den Lieferanten gibt.
„Er
führte die Arbeit stets nach seinen Vorstellungen und für
ihn verständlich aus.“ Wenn ein Arbeitnehmer in seinem
Zeugnis diesen Satz finden würde, würde man ihn zu
Recht für vollkommen unfähig halten. Ein sehr großer
Teil der deutschen Lieferanten verfasst genau nach diesen Kriterien
Angebote und R+I Fließschemata [Rohrleitungs- und Instrumenten
Fließbilder - engl.: piping and instrumentation diagram,
Abk.: p+i d].
Als
die DIN-Symbole für die R+I Schemata [DIN 2429 DIN EN ISO
10628 (bis 2001 DIN 28004, Teil 3)] entstanden, wurde noch am
Zeichenbrett gearbeitet. Jedes einzelne Ventil und jedes einzelne
Symbol wurde per Hand gezeichnet. Für häufig wiederkehrende
Symbole oder Bauteile wurden Schablonen benutzt, um die Zeichenarbeit
zu vereinfachen. Zahlreiche Firmen haben sich damals eigene
zeilweise sehr einfach zu zeichnende Symbole ausgedacht und
benutzen diese noch heute. Abb.1 [Bildunterschrift: R+I Symbole,
links Scheibenventil mit pneumatischem Antrieb auf-zu (federrrückstellend
nur bei B ersichtlich), rechts Scheibenventil mit Handbetätigung
auf-zu: A-DIN, B-Kleiner Anlagenbauer, C-Großer internationaler
Anlagenbauer]. Die Symbole nach DIN sind auch heute noch so
aufgebaut, dass sie einfach manuell gezeichnet werden können.
Bei der Verwendung von CAD-Programmen kann man auf umfangreiche
Standard-Bibliotheken zurück greifen oder zeichnet ein
neues Symbol nur ein einziges Mal, um es dann beliebig häufig
zu verwenden. Zahlreiche Symbole sucht man in der DIN leider
vergeblich. Weder Sinuspumpe, Drehkolben- oder Schraubenspindelpumpen
findet man in der DIN, man müsste hier auf das Symbol Pumpe
allgemein oder Verdrängerpumpe ausweichen. Abb. 2 [Bildunterschrift:
Selbst erdachte Symbole für Sinuspumpe, Drehkolbenpumpe,
Schraubenzentrifugalpumpe, Schraubenspindelpumpe, Drehschieberpumpe].
Das
R+I Schema ist nicht nur ein buntes Bild, um den Kunden zu beeindrucken,
sondern es sollte alle wichtigen Informationen für die
Planung enthalten. Und es stellt für den Kunden einen erheblichen
Unterschied dar, ob er eine hochwertige Drehkolben- oder aber
eine Exzenterschneckenpumpe, für die es übrigens ein
eigenes DIN-Symbol gibt, geliefert bekommt. Es bleibt jedoch
dem für das R+I Schema Verantwortlichem überlassen,
ob er allgemeine oder sofern vorhanden, spezielle Symbole verwendet.
Da alle professionellen CAD-Programme Vektorgrafikprogramme
sind, dürfen Symbole und natürlich auch die selbst
erdachten Symbole relativ komplex sein, ohne nennenswerte Speichermengen
zu verbrauchen. Abb.3 [Bildunterschrift: Jedes Symbol nur ein
Mausklick, Separator, Flüssingringvakuumpumpenaggregat
und Milchannahmewagen] Die „Zeichnungen“ in Abbildung
3 sind nur wenige Byte groß und auch bei mehrfacher Verwendung
in einem R+I Schema werden sie nur ein einziges Mal gespeichert,
da „Platzhalter“ sie beliebig oft in der Zeichnung
anzeigen können. Obwohl die DIN ein Symbol z.B. für
Zentrifugen bereit hält, kann es sinnvoll sein, ein eigenes
Symbol zu verwenden, sofern es für den Kunden leichter
verständlich ist.
Wenn Symbole verwendet werden, die weder norm- noch praxisgerecht
sind, sollte man sich nicht nur als Kunde fragen, warum?
Erst
Mitte der achtziger Jahre zogen Computer und Speicherschreibmaschinen
in die Büroetagen ein. Bis dahin war die Bedienung von
EDV-Systemen mehr oder weniger maschinenorientiert. Wenn man
heute Angebote von großen, namhaften Firmen erhält,
scheint die Entwicklung der vergangenen 25 Jahre an diesen Firmen
spurlos vorbei gegangen zu sein. In der Anfangsphase der EDV
gab es zahlreiche, von den Programmierern erdachte, Restriktionen.
Da Speicherplatz und Rechenkapazität wertvoll waren, gab
man dem Anwender freiwillig hiervon so wenig wie möglich
ab. Selbst Dateinamen durften (betriebs-)systembedingt nur 8
Zeichen lang sein.
Angaben
wie
„STF-DN50/DN50-Z-00-350/0/11-M/25-12N/52“ oder
„1 ST TR47-1BR12HRG000“ oder
„UNIQUE SSV DN-50 022 RA WELDED-WELDED 0.8/BLASTED SHUT
OFF NORMALLY OPEN“,
sind Angaben, die ein deutscher Kunde in diesem Jahr von 3 verschiedenen,
namhaften Herstellern als Artikelbezeichnung (!) im Angebot
genannt bekam. [Anm.: Die Auswahl wurde wahllos getroffen und
soll auf keinen Fall eine Wertung dieser Firmen darstellen.
Alle drei Firmen sind anerkannte Marktführer mit einem
ausgezeichneten Ruf!].
Angebote
werden heute auf Kundenwunsch häufig per E-Mail übermittelt,
Dateinamen sind dann die Angebotsnummern des Lieferanten, im
Betreff wiederholen sich diese für den Kunden nichtssagenden
Angebotsnummern, eventuell wird noch der Name des Angebotsempfängers
oder die „aussagekräftige“ Formulierung „Ihre
Anfrage“ hinzugefügt. Als Absender erscheinen im
E-Mailprogramm üblicherweise Vor- und Zunamen von Personen,
die dem Angebotsempfänger vollkommen unbekannt sind. Der
Firmenname des Absenders findet sich möglicherweise im
Begleittext der E-Mail. Das Angebot wird im pdf-Format übermittelt,
damit der Empfänger es nicht verändern kann? Der größte
Teil des Angebots besteht aus Normtext, der sich mehrfach wiederholt,
da z.B. Ventile in verschiedenen Nennweiten oder Pumpen in verschieden
Baugrößen aufgeführt werden. Unterschiede müssen,
wie die Nadel im Heuhaufen, in diesen sonst vollkommen identischen
Texten, mit kriminalistischem Spürsinn aufgespürt
werden. Auf Seitenumbrüche, Heftränder oder in Deutschland
übliche DIN-Papierformate wird keine Rücksicht genommen.
Im Anhang finden sich noch 30 weitere Dateien mit Prospekten,
die als Dateinamen die interne Bestellnummer des Lieferanten
aufweisen. R+I Schemata werden ebenfalls als pdf-Datei abgespeichert.
Wobei helle Farben auf schwarzem Grund für den Zeichner
am Bildschirm augenschonend sein mögen, als Ausdruck sind
gelbe Linien auf weißem Grund jedoch nur schwer zu erkennen.
Das
einzig-moderne an vielen Angeboten ist die Auswahl der Schrifttype,
die offensichtlich nach dem Kriterium der möglichst schlechten
Lesbarkeit von der Marketingabteilung oder -agentur ausgewählt
wurde. Ein kleines „l“ wie in lesbar, ein großes
„I“ wie in Information und die Ziffer „1“,
sind dabei vollkommen identisch, genauso wie der Buchstabe „O“
und die Ziffer „0“, die ebenfalls nicht zu unterscheiden
sind. Verdana, eine Standardschrift, bei der alle Zeichen eindeutig
zu unterscheiden sind, wird z.B. äußerst selten verwendet.
Nach
Philip Kotler bezeichnet Marketing die Ausrichtung eines Unternehmens
auf die Marktsituation. Marketing umfasst in der Wirtschaft
alle Versuche, die Bedürfnisse potenzieller Kunden sowie
anderer Anspruchsgruppen in die Entscheidungen einer Organisation
einzubeziehen, um dadurch die gesetzten Ziele besser zu erreichen.
„Auffallen durch Unverständlichkeit“, steht
in dieser Definition jedoch nicht geschrieben und scheint auch
nicht wirklich erfolgversprechend zu sein.
Ist
es nun Arroganz oder Ignoranz die den Lieferanten, der eigentlich
einen Kunden umwerben sollte, dazu bringt unverständliche
R+I Schemata in Verbindung mit unverständlichen Angebotstexten
zu versenden?
Gibt
es hieraus einen Ausweg? Jeder Anbieter könnte sich einen
nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil verschaffen,
wenn er verständliche Zeichnungen und Angebotstexte als
sehr kraftvolles Marketinginstrument begreifen würde. Marketing
wird jedoch offensichtlich nur als vornehmeres Wort für
Reklame [vom französischen réclamer: ausrufen, anpreisen]
benutzt.
Wenn
der Lieferant nicht gewillt ist in einer für den Kunden
verständlichen Sprache zu sprechen, muss der Kunde die
Initiative ergreifen.
Ausschreibungen
zu erstellen oder erstellen zu lassen und damit die Lieferanten
zu zwingen, etwas genau Definiertes anzubieten, führt ab
einer gewissen Komplexität des Projektes mit Sicherheit
nicht zum gewünschten Erfolg.
Es
gibt nur zwei erfolgversprechende Lösungsansätze.
Zum einen fragt man den Lieferanten so lange, bis der Lieferant
einem erklärt hat, was er denn dort angeboten hat, oder
man sucht sich professionelle Hilfe in Form eines Beraters,
der diese Arbeit übernimmt und das Angebot in eine für
den Kunden verständliche Sprache übersetzt. In beiden
Fällen ist es außerordentlich wichtig, dass die „Übersetzung“
schriftlich festgehalten oder in anderer Form nachvollziehbar
dokumentiert wird. Ein Satz, das zwangsfördende Pumpen
prinzipiell Drehkolbenpumpen vom Hersteller Müller oder
Schraubenspindelpumpen vom Hersteller Maier bedeuten, kann hierfür
zunächst ausreichen.
Das
eigentliche Ziel, nämlich eine Funktion, Einhaltung von
Qualitätsnormen und Prozesssicherheit zu kaufen, sollte
aber nie aus den Augen verloren werden. Gewandte [nicht zu verwechseln
mit „geschickte“] Verkäufer versuchen gelegentlich
diesen Punkt gegen den Kunden einzusetzen. Mit Hinweisen auf
die „jahrzehntealte“ Erfahrung, über das Ablehnen
von Garantien oder Behauptungen, dass das vom Kunde Gewünschte
nicht funktioniere, zu teuer oder weniger betriebssicher wäre,
als das Angebotene, wird der Kunde unter Druck gesetzt technische
Lösungen zu akzeptieren, die er nicht haben will.
Der
Kunde sollte Partner des Lieferanten sein. Auch wenn behauptet
wird, der Anlagenbau wäre ein Käufermarkt, so lässt
das Vorgehen zahlreicher Firmen und der sie vertretenden Vertriebsmitarbeiter
einen häufig daran zweifeln. Die einzige wirkliche Macht
die ein Kunde hat, nämlich sein Geld woanders auszugeben,
sollte er ebenso nicht vergessen, wie die Tatsache, das Zeit
und Intelligenz gerecht verteilt sind.
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