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So einfach und trotzdem wahr
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Frage: Sie sind auf einer Berghütte eingeschneit und besitzen nur ein einzelnes Streichholz, einen Ölofen mit genügend Heizöl, eine Petroleumlampe mit ausreichend Petroleum und eine Kerze. Was zünden Sie zuerst an? Die korrekte Antwort lautet: Das Streichholz. Warum überrascht diese Antwort? Das unausweichliche, logische, selbstverständliche muss man doch eigentlich nicht extra sagen.
Im vergangenen Jahr ist an dieser Stelle ein Beitrag zur Eliminierung des Heißhalters erschienen, der das ‑ aus Sicht des Autors ‑ Selbstverständliche als gegeben voraussetzte, sodass die Basis für die meisten Schlussfolgerungen fehlte. Dieser Beitrag soll vornehmlich offengebliebene Lücken schließen.
Betrachtungsgrenzen
Bei den nachfolgenden Betrachtungen soll man davon ausgehen, dass alles sinnvoll Vergleichbare, das nicht genannt ist, gleich ist.
Mit einer KZE (Kurzzeiterhitzer, engl.: flash pasteurizer) ist hier ein Apparat gemeint, der eine niedrigviskose Flüssigkeit (<500 mPas) im Durchfluss erwärmt und danach wieder abkühlt. D.h. ein reiner Erhitzer zur Heißabfüllung von z.B. Säften ist damit ebensowenig gemeint, wie ein Tunnel- oder Kammerpasteur in denen fertig abgefüllte Getränke einer Wärmebehandlung unterzogen werden. Die Austrittstemperatur dieser hier behandelten KZE muss nicht der Eingangstemperatur entsprechen, die Ein- und die Ausgangstemperatur liegen aber auf jeden Fall deutlich unterhalb einer wirksamen Pasteurisationstemperatur von 60°C.
Üblicherweise befindet sich bei einer KZE zwischen Erwärmung und Abkühlung eine als Heißhalter bezeichnete Rohrleitung (oder ein Plattenpaket o.ä.), um eine definierte Einwirkzeit (Reaktionszeit/Behandlungszeit) bei der Soll-Temperatur oder nahe der Solltemperatur zu gewährleisten.
Die Wärmebehandlung wird primär durchgeführt, um den mikrobiologischen Verderb eines Produktes zu verhindert oder hinauszuzögern. Je nach Flüssigkeit (Produkt), Art und Menge der Mikroorganismen und den Anforderungen an die Flüssigkeit nach der Wärmebehandlung, werden Temperaturen und die Heißhalte-Zeit bei Nenndurchflussleistung festgelegt und es wird eine KZE installiert, die diese Festlegung technisch umsetzen kann. Bei einigen Produkten müssen evtl. vorhandene potenziell krankmachende Mikroorganismen sicher inaktiviert werden; hierzu sind wie z.B. bei Milch oder Vollei gesetzliche Vorschriften zu beachten. Das eine zu hohe Temperatur bei der Behandlung von Vollei kein pasteurisiertes Vollei, sondern „Rührei“ erzeugt, ist einleuchtend. Dass es Flüssigkeiten gibt, die ihre chemisch-technischen Eigenschaften auch bei einer exzessiven Wärmebehandlung nicht nennenswert verändern, lässt sich leicht am Beispiel des vollentsalzten Wassers nachvollziehen.
Aus der Molekularküche (Stichwort: sous-vide) kennt man es, dass z.B. bestimmte Eiweiße eines Produktes durch Einhaltung einer genau definierten Temperatur gezielt denaturiert werden und andere Inhaltsstoffe unverändert bleiben. Eine gewollte Veränderung der sensorischen Produkteigenschaften soll hier aber nicht behandelt werden. Wenn jemand eine hohe Geschmackstabilität dadurch erreichen will, dass er sein Produkt extrem überpasteurisiert, dann ist dies ebenso ein anderes Ziel, wie einem geschmacksarmen Getränk durch die Pasteurisation Geschmackseindrücke hinzuzufügen. Hier geht es hingegen ausschließlich um die Reduzierung mikrobiologischen Wachstums und dem Streben danach, die sensorischen und anderen qualitätsbestimmenden Produkteigenschaften möglichst nicht zu verändern.
Technologische Anforderungen
Der, der eine KZE betreiben will, hat in der Regel eine relativ klare Vorstellung davon, wieviel thermische Energie er in das Produkt einbringen muss, um das gewünschte Resultat zu erhalten. Üblich ist hierfür die Berechnungsformel: Pasteurisiereinheiten (PE) = Zeit * 1,393(t-60). Da es Produkte gibt, die bei Temperaturen von über 80°C pasteurisiert werden, wird manchmal statt der 60 auch eine 80 in die Formel eingesetzt, um kleinere Zahlenwerte zu erhalten, ob das Ergebnis dann auch als PE, als SE (Sterilisationseinheit) oder als „große PE“ bezeichnet wird, ist bei den hier angeführten Betrachtungen nebensächlich, da hier ausschließlich gleiche Anforderungen miteinander verglichen werden.
Es ist noch immer kaum bekannt, dass bei vielen Produkten die wertbestimmenden Eigenschaften weniger stark verändert werden, wenn die Temperatur erhöht und die Zeit reduziert wird, um dieselbe Anzahl der errechneten PE einzubringen. Wenn man z.B. ein Produkt mit 35 PE behandeln möchte, und eine Heißhaltezeit von 30 Sekunden anwendet, wird hierfür eine Temperatur (nach vorgenannter Formel) von 72,82°C benötigt [Anm.: Zur Temperaturberechnung kann ein Arbeitsblatt einer Tabellenkalkulation auf der Internetseite: http://sachverstand-gutachten.de/wissenswertes/pe-berechnung.xls kostenlos heruntergeladen werden]. Würde man die Heißhaltezeit auf 10 Minuten verlängern, wären für die 35 PE nur noch 63,78°C erforderlich. Könnte man die Heißhaltezeit auf 1 Sekunde reduzieren, benötigte man rechnerisch 83,08°C. Das letzte Zahlenbeispiel deutet an, dass es eigentlich falsch ist nur die Zeit im Heißhalter rechnerisch zu berücksichtigen, denn je nach Größe der Rekuperationsabteilung des gewählten Apparates, findet eine erhebliche Pasteurisation beim Aufheizen und Abkühlen statt. Um die Pasteurisation während des Erhitzens und Abkühlens zu berechnen, ist es leider nicht möglich eine feste Formel anzuwenden, da die technische Ausführung des Apparates den anzuwendenden Algorithmus bestimmt.
„Spinat enthält viel Eisen!“
Das Argument, eine lange Heißhaltezeit bei entsprechend geringerer Soll-Temperatur würde Regelfehler leichter verzeihen, ist falsch. Wenn man im obigen Beispiel statt 72,82°C eine Temperatur von 73,22°C (d.h. +0,4K) bei der unveränderten Heißhaltezeit von 30 Sekunden hätte, errechnete man 40 statt der gewollten 35 PE. Wenn man statt der gewollten 83,08°C nun 83,48°C (d.h. +0,4K) einstellte, natürlich ebenfalls bei einer unveränderten Heißhaltezeit von 1 Sekunde, bekäme man ebenfalls genau 40 statt der ursprünglichen 35 PE. Nun verwundert es nicht, dass bei einer Heißhaltezeit von 10 Minuten und 40 PE sich ebenfalls eine Temperaturerhöhung um 0,4K auf 64,18°C ergibt. Bei einer sehr langen Heißhaltezeit und entsprechend geringer Soll-Temperatur reduziert sich natürlich der Fehler der dadurch entsteht, dass das Aufheizen und Abkühlen rechnerisch (noch) nicht berücksichtigt werden. In der heutigen Zeit darf dies aber nicht als glaubhafte Begründung zur Vernichtung erheblicher wirtschaftlicher Werte dienen: „Nur weil für jede KZE ein eigener Algorithmus festgelegt werden muss, verwende ich eine unnötig lange Heißhaltezeit?“.
Regelung ist unnötig träge
Abgesehen von den Investitionskosten für den Heißhalter und den direkt-proportional steigenden Energieverlusten, Produktverlusten, Abwassermengen, Reinigungsmittel- und Spülwassermengen, verlängert der Heißhalter auch die unproduktiven Zeiten und erschwert die Regelung. Bei den meisten KZE ist eine Volumenstromregelung vorgesehen, um die Durchfluss-Leistung z.B. dem nachgeschalteten Füller anpassen zu können. Da sich durch die Volumenstromänderung die Heißhaltezeit verändert, muss die Temperatur angepasst werden, damit die PE innerhalb der Vorgaben bleiben. Da die Regelung träge reagiert, wird ein entsprechend großer Puffertank zwischen KZE und Füller installiert. Wäre eine schnellere Regelung möglich, könnte man die Größe des Puffertanks reduzieren oder die kritische Stillstandszeit des Füllers, d.h. die Zeit bis die KZE ausgeschoben werden muss, wenn kein Produkt vom Füller abgenommen wird, würde verlängert werden.
Sensorische Eigenschaften
Die Meierei Trittau hatte für „längerfrische“ Milch ein Verfahren eingeführt, bei dem die Aufheizzeit durch das Einspritzen der Milch in einen mit Sattdampf gefüllten Raum und die Abkühlzeit durch ein Versprühen der Milch in einer Vakuumkammer, minimiert wurden. Bei maximaler Behandlungs-Temperatur wurde eine minimale Behandlungs-Zeit erreicht. Bezogen auf die zugeführten PE war die Qualität dieser Milch überragend. Leider lässt sich das Verfahren nicht auf karbonisierte Getränke übertragen. Da das Verfahren relativ aufwändig ist, verwenden zahlreiche Molkereien eine klassische KZE um „längerfrische“ Milch zu erzeugen. Dass diese Milch eher wie H-Milch und weniger wie Frischmilch schmeckt, wird billigend in Kauf genommen. Inzwischen gibt es Kunden, die den Geschmack von Frischmilch oder auch von frisch gepressten Orangensaft nicht mehr kennen und deshalb diesen nun ungewohnten Geschmack als „falsch“ ablehnen.
Versuche mit verschiedenen Getränken haben gezeigt, dass die durch das Pasteurisieren verursachten Qualitätsveränderungen sich reduzieren, wenn die Temperatur erhöht und die Heißhaltezeit entsprechend minimiert werden, wobei selbstverständlich die PE konstant bleiben. Falls jedoch die qualitätsrelevanten Veränderungen, die beim gegenwärtigen Prozess durch das Pasteurisieren stattfinden, gewollt sind, sollte jede Änderung des Verfahrens sorgfältig bewertet werden. In den allermeisten Fällen strebt man jedoch danach, sensorischen Veränderungen durch das Pasteurisieren zu vermeiden.
Überflüssiger Heißhalter
Wenn die während der Aufheiz- und Abkühlungsphase zugeführten PE korrekt berechnet werden, kann auf einen Heißhalter im eigentlichen Sinne ‑ in den allermeisten Fällen ‑ vollständig verzichtet werden. Die erforderliche Vergrößerung der Rekuperation fällt vergleichsweise gering aus. Durch die kleinere Füllmenge des Apparates (im Vergleich zu einem klassischen Apparat mit Rohr-/Plattenheißhalter und mit identischer Durchflussleistung und identischer PE-Zuführung) werden die Betriebskosten deutlich reduziert.
Selbstverständlich wird hierdurch die Heißhaltezeit nicht auf Null gesetzt, sondern es findet keine Heißhaltung bei konstanter Solltemperatur mehr statt. Es wird direkt nach dem Erreichen der max. Pasteurisationstemperatur sofort über die Rekuperation mit dem Abkühlen begonnen. Hierdurch sinkt die gesamte Behandlungszeit und die max. Pasteurisationstemperatur ist höher, als bei klassischen KZE mit Heißhalter, wobei die Ausführung des abgeschafften Heißhalters als Röhre, Platte, Schichttank etc. keinerlei Rolle spielt.
Sinn des Sekundärkreislaufs
Unabhängig von der Abkehr vom Konstanttemperatur-Heißhalter, weisen die meisten KZE einen Sekundärkreislauf auf. D.h. der Erhitzer wird nicht mit Dampf sondern mit Warmwasser beheizt, das in einem Kreislauf mit Dampf erhitzt wird. Da die meisten Betriebe über ein Dampfnetz verfügen, soll auf die Heißwasser-Beheizung hier nicht eingegangen werden.
Ein Sekundärkreislauf macht das ohnehin träge Regelverhalten noch träger. Aus technischer Sicht wird ein Sekundärkreislauf nicht benötigt, sondern der Erhitzer kann direkt mit Dampf betrieben werden. Dass der Druck des Dampfes sich innerhalb des korrekt ausgelegten Wärmeübertragers unterhalb des atmosphärischen Drucks einstellt, muss bei der technischen Umsetzung berücksichtigt werden. Wenn auf den Sekundärkreislauf verzichtet wird, muss natürlich auch keine Umwälzpumpe betrieben werden. Wichtiger als die Einsparung der Antriebsleistung dieser Pumpe ist es jedoch, dass die Regelung deutlich schneller wird. Wenn nun für die Hauptregelung nicht mehr ein Temperatur- sondern ein Drucksensor verwendet wird, erhält man eine schnelle und hochgenaue Regelung.
Zusammenfassung
Das es Produkte gibt, wie z.B. Vollei, die eine beliebige Pasteurisationstemperatur nicht vertragen, ist allgemein bekannt. Auch gibt es Produkte die aufgrund ihrer Keimbelastung oder gesetzlicher Vorschriften Pasteurisations-Zeiten von teilweise über 30 Minuten benötigen. Bei einigen Anwendungen wird durch die Pasteurisation eine gewünschte Geschmacksveränderung erreicht. Diese Sonderfälle sind jedoch nicht Gegenstand dieser Betrachtung.
Zahlreiche Getränke oder Getränkezutaten werden mit einer üblichen Heißhaltezeit (bei Nennleistung) von ca. 30 bis 60 Sekunden im Durchfluss pasteurisiert. Diese Heißhaltezeit mindert in den meisten Fällen die Produktqualität und erhöht erheblich die Betriebskosten im Vergleich zu einer KZE, die auf einen Konstanttemperatur-Heißhalter verzichtet. Um die gleiche Anzahl an Pasteurisations- oder Sterilisationseinheiten zuzuführen, wird die max. Temperatur während der Pasteurisation angehoben und direkt nach dem erreichen der max. Temperatur wird mit dem Abkühlen begonnen. Der dafür notwendige Algorithmus ist anlagen- bzw. apparatespezifisch.
Unabhängig von der Nichtverwendung eines Konstanttemperatur-Heißhalters können die Regelgüte erhöht und die Betriebskosten gesenkt werden, wenn auf den dampfbeheizten Sekundärkreislauf zum Betrieb des Erhitzers verzichtet wird.
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