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Nichts ist gefährlicher, als das Gute zu verlassen, um es noch besser zu haben (Voltaire 1772)
Die Zukunft der CO2-Gewinnung?
Öffentlich darüber zu reden, dass ein Betrieb CO2 verwendet, ist inzwischen ein Politikum. Zwar fokussieren sich die „CO2-Aktivisten“* primär auf Kraftfahrzeuge und Kraftwerke, jedoch naheliegende Emittenten, wie die Gebäudeheizung, werden von den „Umweltstreitern"* und den Medien kaum beachtet. Weitere große CO2-Emittenten, wie z.B. Haustiere werden vollständig ignoriert. Dass Haustiere durch die Atmung CO2 emittieren ist noch (fast) jedem bewusst. Mikrobiologische Abbauprodukte der Exkremente von Hund und Katze haben noch nicht ihren Weg in die Kraftwärmekopplung gefunden und verteilen sich gewöhnlich als Treibhausgase in der Atmosphäre. Mit Heimtierfertignahrung werden in Deutschland mehr als 3 Milliarden Euro umgesetzt [https://de.statista.com/statistik/daten/studie/6382/umfrage/umsatz-mit-heimtier-fertignahrung-seit-2008/] und der größte Teil hiervon ist nicht vegetarisch oder vegan. Wenn man davon ausgeht, dass Heimtierfertignahrung im Wert von 1 Euro eine Kohlendioxidäquivalentbelastung von nur 10kg zur Folge hat, dann bedeuten 3 Milliarden Euro Umsatz eine Erhöhung der CO2-Bilanz von über 30.000.000 Tonnen im Jahr. Wenn man davon ausgeht, dass ein CO2-haltiges Getränk im Mittel 6g/l CO2 enthält, entsprechen die 30.000.000t CO2 einem Getränkevolumen von 5.000.000.000.000 Litern, bei 80.000.000 potenziellen Konsumenten in Deutschland entspricht dies 62.500 Liter pro Konsument und Jahr entsprechend über 170l am Tag. D.h. der Einsatz von CO2 in der Getränkeindustrie ist verschwindend gering im Vergleich zur CO2-Belastung durch Katzen und Hunde. Wer nun ein Haar in dieser Suppe entdeckt, sollte einmal die Berechnungen der Bundesregierung oder von Vereinen wie BUND, Nabu, DUH oder Greenpeace anschauen. Wer mit Polemik angreift, sollte auch Polemik als Waffe der Verteidigung akzeptieren.
Klare Verhältnisse
Vor 50 Jahren war die Welt scheinbar noch in Ordnung: Brauereien nutzten das eigene Kohlendioxid aus der Gärung und Brunnenbetriebe und Hersteller von Erfrischungsgetränken verwendeten CO2 aus natürlichen Quellen des Erdreichs. In AFG-Betrieben war die Verwendung von Druckluft zum Vorspannen bei der Abfüllung und als Kopfraumdruck in (Puffer-)Tanks noch sehr weit verbreitet. Auch Brauereien verwendeten zum Vorspannen von Lagertanks und zum Entleeren von Gärtanks fast ausschließlich Druckluft. Für Langrohrfüller wurde sogar mit dem Argument geworben, dass man auch mit Druckluft vorspannen könne. Narziss schreibt 1972 im Abriss der Bierbrauerei: „Der Abfülltank ruft meist eine starke Aufnahme von O2 hervor. Das Bier springt in den mit Luft vorgespannten, leeren Tank … .“
Als man Ende der 1980-er Jahre in Deutschland erfuhr, dass in Japan CO2 aus Prozessen in der Petrochemie für die Getränkeindustrie gewonnen wird, waren die Bedenken zunächst sehr groß. Zu dieser Zeit wurde die Verwendung von „Gärungskohlensäure“ von vielen Betrieben der AFG-Industrie noch strikt abgelehnt, da man eine unzureichende Entfernung von Gärungsnebenprodukten befürchtete und nicht in der Lage war entsprechende chemisch-technische Analysen durchzuführen. Die „Analyse“ der Reinheit beschränkte sich bei der Warenanahme auf die Bestimmung der CO2-Konzentration und des Geruchs und Geschmacks, wobei zahlreiche Betriebe auch hierauf verzichteten und dem Lieferanten und den Lieferverträgen vertrauten.
Neue Quellen
Inzwischen wird weltweit CO2 in der Getränke- und in der Lebensmittelindustrie eingesetzt, das z.B. aus der Ammoniakherstellung stammt.
Carbon dioxide capture and storage [CCS] d.h. die Abtrennung des CO2 aus den Verbrennungsgasen der Kraftwerke mit anschließender „Endlagerung“ soll zusammen mit batteriebetriebenen Straßenfahrzeugen die Klimaerwärmung aufhalten. Das der (Energie-)Aufwand für diese Techniken erheblich ist, muss hier nicht betont werden. Es gibt Überlegungen CCS auch bei Biomassekraftwerken einzusetzen oder der Umgebungsluft ihre 0,04% CO2 zu entziehen. Statt dieses CO2 einfach direkt irgendwo dauernd zu lagern empfänden es einige als „sexy“, sie erst einmal da zu verwenden, wo sonst CO2 aus anderen Quellen benutzt würde, d.h. z.B. auch in der Getränkeindustrie.
Ähnlich wie bei Kraftstoffen für Straßenfahrzeuge könnte der Gesetzgeber eine Zumischung des „Alternativen-CO2“ zum gebräuchlichen CO2 verordnen. Auch wenn dieses Problem für Brauereien mit eigener CO2-Rückgewinnung zunächst relativ klein erscheint, so stehen doch CO2-Hochdruckzylinder praktisch in jeder Gaststätte.
Als vor 30 Jahren Verkoster Aromaverschleppung in Kunststoffflaschen evaluierten, wurden Proben, die mit gesundheitsgefährlichen Stoffen, wie Heizöl oder Nitro-Verdünnung kontaminiert sein konnten, freudiger verkostet, als Proben die möglicherweise Urin(bestandteile) enthielten. Biomasse klingt nach Mais und Zuckerrübenschnitzel; aber auch Kot und Urin aus der Tierhaltung zählen zur Biomasse. Ekel ist ein wesentlicher Bestandteil der Hygiene. Aus Faulgasen von Gülle abgetrenntes Kohlendioxid klingt nicht sehr appetitlich. Aber wenn die Politik nicht will, dass der Kunde hiervon erfährt wird er hierüber kaum Schlagzeilen lesen müssen, denn wer liest schon Schlagzeilen darüber aus welchem „Rohstoff“ an manchen Orten Trinkwasser gewonnen wird.
Vertragliche Herausforderung
Als vor gut 10 Jahren durch ein kontaminiertes technisches Gas ein Schadensfall in Millionenhöhe entstanden war, stellte ein Sachverständiger fest, dass der Lieferant den Vertrag nicht verletzt hatte und deshalb die Versicherung keinen Schadensersatz leisten musste. Dem Lieferanten und dem Kunden waren bis zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst, was sie tatsächlich vertraglich vereinbart hatten und beide gingen zunächst von einem Haftpflichtschaden aus, den der Versicherer des Lieferanten regulieren sollte.
Es überrascht nicht, wie es zu dieser Fehleinschätzung kam: Der Kunde hatte ganz pragmatisch die für Trinkwasser zulässigen Verunreinigungen namentlich übernommen, aber die zulässigen Grenzwerte einfach durch zehn dividiert. Da nach Aussage des Lieferanten im Bereich der technischen Gase seit vielen Jahren eine Angabe in ppm und eine bestimmte Analysensammlung ‑ auf die Kunden und Lieferanten weltweit Bezug nehmen ‑ üblich wäre, wurden diese Details, die sich auch in den Standardlieferverträgen des Lieferanten befanden, vereinbart. Da sich dieses Gas nur zu einem geringen Anteil im fertigen Produkt befindet, erwartete der Kunde durch diese vertragliche Vereinbarung Werte im Fertigprodukt von deutlich unterhalb der Nachweisbarkeitsgrenze.
Bei einer jährlichen großen Routinekontrolle durch ein externes Labor wurde jedoch eine solche unerwünschte Verbindung im Fertigprodukt nachgewiesen. Zunächst wollte man dies nicht glauben, man sperrte vorsorglich die Ware und beauftragte weitere Untersuchungen in einem anderen Labor, welches die Werte des ersten Labors jedoch bestätigte. Alle gefundenen Werte im Fertigprodukt waren deutlich unterhalb des im Trinkwasser zulässigen Grenzwertes.
Durch eine Stufenkontrolle identifizierte man das technische Gas als Kontaminationsquelle. Die direkte Analyse des im Lagertank des Kunden befindlichen Gases war schwierig; denn der Lieferant und der Kunde konnten sich zunächst nicht auf eine geeignete Probenahme- und Versandmethode einigen. Zunächst hatte man den Verdacht, das ein Transportfahrzeug (durch „Schwarztransporte“) kontaminiert sein könnte, bis man schließlich feststellte, dass die Kontamination durch ein Leck in einem Wärmeübertrager ‑ trotz positiven Druckgefälles ‑ verursacht wurde. Da in Wärmeübertragern immer turbulente Strömung herrschen sollte, verhindert das positive Druckgefälle nicht einen Stoffaustausch und auch hier gelangte nicht ausreichend wärmebehandeltes Gas durch das Leck in die Ware zum Verkauf.
Inzwischen waren mehrere Monate vergangen und Lagerhäuser standen voller gesperrter Ware mit inzwischen abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum.
In der vertraglich vereinbarten Analysenmethode wurden ppm als Volumenverhältnisse bei definierten atmosphärischen Bedingungen definiert. Bei diesen Bedingungen ist der „Störstoff“ flüssig und das technische Gas ist gasförmig. Ein Liter des relativ schweren gasförmigen CO2 ist z.B. über 500 mal leichter, als ein Liter Wasser. Hätte man Masse- statt Volumenverhältnisse vereinbart, hätte dies den Erwartungen der Vertragspartner entsprochen. Ob die Versicherung den Schaden (in voller Höhe) reguliert hätte bleibt aber offen. Wenn ein so hoher Schaden entstehen kann, stellen nicht nur Rechtsanwälte Fragen. Reicht es aus nur einmal im Jahr eine solche Analyse durchzuführen? Musste man tatsächlich die Ware sperren und vernichten oder hätte man sie verkaufen können, da sie deutlich weniger belastet war, als es beim als sicher geltenden Trinkwasser zulässig ist?
Da zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung des Konsumenten vorlag und das gesperrte Produkt allein schon wegen der Lagerzeit vernichtet werden musste, wurden die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen.
Weltweit wurden daraufhin Verträge zur Lieferung technischer Gase inkl. CO2 angepasst und an vielen Standorten installierten Lieferanten kontinuierlich messende Gasanalysegeräte. Da diese Geräte Investitionen im fünfstelligen Eurobereich verlangen, ist ihre Installation nur bei einer entsprechend großen Produktionsmenge wirtschaftlich vertretbar. Ferner sind sie auf das Gewinnungsverfahren abgestimmt und suchen primär nach Verunreinigungen, die im Rohgas hier auftreten und vor der Auslieferung entfernt werden sollten. Ob sie ‑ unabhängig von den Kosten ‑ zur Wareneingangsprüfung oder auch für neuartige CO2-Produktionsverfahren sinnvoll anzupassen sind, wäre zu prüfen.
Je nach Ursprung des Kohlendioxids sind möglicherweise vom Lieferanten auch Störstoffe zu entfernen, für die in der Regel heute noch keine Grenzwerte vereinbart werden oder für die es noch keine standardisierten Analysenmethoden gibt.
Auswege?
Wäre es eine Lösung, wenn man mit dem Lieferanten vertraglich vereinbarte, dass er CO2 nur aus einer ganz bestimmten Quelle liefert und dass die Transportfahrzeuge ausschließlich CO2 aus dieser Quelle transportieren dürfen? Könnte man vereinbaren, dass grundsätzlich die niedrigsten mit irgendeinem Kunden vereinbarten Grenzwerte auch für den eigenen Betrieb gelten sollen? Was wäre wenn alle Kunden eine solche Klausel verwenden würden? Was ist, wenn es für bestimmte Störstoffe keine Grenzwerte gibt? Könnte man die Grenzwerte für Trinkwasser ‑ natürlich als Massen- oder Molverhältnis ‑ verwenden? Die Einheit ppm macht ausschließlich bei Molverhältnissen Sinn, wenn es um Masseverhältnisse geht, sollte man direkt die Einheiten wie mg/kg verwenden. Molverhältnisse zu vereinbaren klingt verlockend, aber in der Trinkwasserverordnung sind regelmäßig mehrere Verbindungen zu einer Gruppe zusammengefasst, der Grenzwert für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe [PAK] lässt sich z.B. nicht übertragen, da zur Gruppe Naphtalin mit einer Molmasse von 128,17g/mol ebenso wie Superphenalen mit einer Molmasse von 1183,27g/mol zählen. Macht es Sinn Grenzwerte für Verbindungen zu vereinbaren, die bereits im Roh-Kohlendioxid nicht vorkommen? Müssten bei Routineuntersuchungen dann die Menge dieser nicht vorkommenden Verbindungen bestimmt werden? Wenn der Nährwert von Bier oder Limonade bestimmt wird, wird auch eine quantitative Fettanalyse im fettfreien Getränk durchgeführt, da dies vorgeschrieben ist. Wenn man viele Grenzwerte vereinbart, wird man deren Einhaltung vermutlich auch regelmäßig mit entsprechendem Kostenaufwand bestimmen lassen müssen.
Fazit
Dass es sinnvoll ist aus Gülle Strom zu erzeugen, hat die Politik beschlossen; aber ob aus dem Abgas des biomassebetriebenen BHKWs tatsächlich das CO2 gewonnen werden muss, das in der Limonade verwendet wird, ist noch nicht entschieden.
Verträge halten einer rechtlichen Überprüfung häufig nicht stand; deshalb ist es wichtig, dass man davon überzeugt ist, dass der Vertragspartner in der Lage und gewillt ist den Vertrag kompromisslos zu erfüllen. Die Einheit „ppm“ macht nur bei Molverhältnissen Sinn, diese aus Amerika übernommene Einheit bei Masse- oder Masse-Volumenverhältnissen zu verwenden ist nicht zweckmäßig. Masse-Volumenverhältnisse vereinfachten die Angabe eines Ergebnisses vor Erfindung des Taschenrechners; heute sollten sie längst durch Masseverhältnisse mit sinnvollen Einheiten wie µg/kg ersetzt worden sein.
Abb. 1 Seit Jahrzehnten im Einsatz, Kompressor, CO2-Gewinnung aus Brunnenwasser in einem Mineralwasserbetrieb
Abb. 2 CO2-Rückgewinnung in einer Brauerei, seit 40 Jahren in Betrieb
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