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Raimund Kalinowski

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Nicht schlüssig download als pdf

Wo endet eine zulässige Werbeaussage?

Die Leute, die sich kein neues Auto leisten können und den gepflegten gut erhaltenen Wagen aus dem Baujahr 1984 weiterhin fahren, zahlen eine Strafsteuer, die fast viermal so hoch ist, wie wenn das Auto Euro 3 erfüllen würde. Hilft man damit tatsächlich der Umwelt, wie es die „Werbung" der Politiker suggeriert oder vernichtet diese Politik einfach nur Vermögenswerte? Sind Europa und Japan in der Lage durch eine Verzögerung der CO2-Emission das Weltklima zu retten? Sind Christian Wulff oder Freiherr von und zu Guttenberg Täter oder Opfer? Ist ihre „Strafe" angemessen, welche Wertvorstellungen erwartet der Bürger tatsächlich von Politikern?

Journalisten sollten von Tatsachen berichten und objektiv aus verschiedenen Blickwinkeln eine Sache beschreiben, damit der Leser sich eine eigene Meinung bilden kann. Sinkende Leser- und Inserentenzahlen drängen die Redaktionen dazu das zu schreiben, was die Masse der Kunden erwartet.

Das heißt, der Rechercheaufwand muss im Mittel sinken und der einzelne schreibt entweder mehr oder Praktikanten/Volontäre werden verstärkt eingesetzt, um die Seiten zu füllen. So finden immer häufiger nur wenig veränderte Pressemitteilungen aus Politik und Wirtschaft den Weg in den redaktionellen Teil, auch in den von renommierten Publikums-Zeitschriften.

Die wertende „Berichterstattung" aus nur einem einzigen Blickwinkel ist inzwischen die Regel. Der wahre Wert von qualifizierten Informationen wird von sehr vielen Menschen nicht oder zu spät erkannt. In Fachzeitschriften ist dies anders. Der Autor verrät durch seinen Namen und seine hauptberufliche Tätigkeit, dass er hier nicht als Journalist, sondern als Fachmann ein bestimmtes Thema aus seinem Blickwinkel beleuchten will.

Glaubhafte neue Produkte?

Da Publikumszeitschriften inzwischen subjektiv berichten, sollte es auch erlaubt sein, dass Fachzeitschriften sich journalistisch einem Thema nähern, um dem Leser die Möglichkeit zu geben, sich eine eigene Meinung zu einem bestimmten Thema zu bilden. In immer kürzeren Abständen kommen „grandiose‟ neue Produkte auf den Markt. Häufig zeigt erst die Zeit, ob das Produkt von einem Einstein oder einem Münchhausen stammt.

Manchmal wird wenig fundierten Aussagen Glauben geschenkt, weil man sich wünscht, dass es funktioniert. Eine vor etwa drei Jahren auf dem Markt gekommene Messvorrichtung zur Bestimmung des CO2-Gehaltes in verschlossenen Flaschen hat einige Aufmerksamkeit erregt. Da es schwierig ist, die wenigen zur Verfügung stehenden Informationen zu bewerten, wird nachfolgend versucht das Thema durch eine möglichst umfassende Beleuchtung etwas aufzuhellen.

Um Missverständnissen vorzubeugen, sind hier vorgebrachte Zweifel so zu verstehen, dass der Verfasser die Antwort auf die gestellte Frage nicht kennt, unentschlossen ist bzw. dass es auf die gestellte Frage mehrere mögliche Antworten geben kann. Auf keinen Fall soll ein Zweifel als Skepsis oder gar „kritischer Zweifel" aufgefasst werden. Wenn etwas nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht funktionieren kann, wird dies entsprechend gekennzeichnet.

Messvorrichtung zur Bestimmung des CO2-Gehaltes

Der Hersteller lobt sein CO2-Messgerät aus, mit folgenden wesentlichen Eigenschaften: „Für die zerstörungsfreie, hochgenaue Bestimmung des CO2-Gehaltes in abgefüllten Getränken. Lasertechnologie [...] . Ein Anstechen des Gebindes ist nicht notwendig. [...] durch die direkte CO2-Messung [...] erhalten Sie den wahren CO2-Gehalt [...] . Genauigkeit: ± 0,025 v/v, 0,05 g/l, Reproduzierbarkeit: ± 0,01 v/v, 0,02 g/l, Messergebnisse innerhalb einer Minute. [...] ."

Während einer Firmenpräsentation auf dem Kölner Brauertag 2011 wurden folgende Genauigkeiten genannt: Vergleichbarkeiten: (Standardabweichung) PET 0,03 g/l, Glas 0,05 g/l; Wiederholbarkeit: (Standardabweichung) PET 0,04 g/l, Glas 0,06 g/l.

Nach Angaben des Herstellers wird zunächst das Sättigungsgleichgewicht durch manuelles oder automatisches Schütteln hergestellt und dann der CO2-Partialdruck im Kopfraum mithilfe einer quantitativen IR-spektroskopischen Methode unter Verwendung einer monochromatischen Laserdiode bestimmt.

Nach Aussage im Kölner Vortrag wird mit einem separaten Laser die Temperatur erfasst. In einer Druckschrift des Herstellers steht hingegen: „Dazu dient ein am Gerät befindliches höhenverstellbares Strahlungspyrometer, welches die von der Außenwand der Getränkeflasche ausgesendete Wärmestrahlung misst. Die unterschiedlichen Emissionsgrade der Flaschenmaterialien werden berücksichtigt." Ob die Emissionsgrade automatisch berücksichtigt werden, bleibt offen.

Es wird von einer absoluten Kalibrierung gesprochen und gesagt, dass ein Laser sich nicht verändert. Das Gerät ist für den Einsatz im Labor oder direkt an der Abfüllanlage vorgesehen.

Viele Ungereimtheiten

Nach dem Stand von Wissenschaft und Technik ist es nicht möglich, durch manuelles Schütteln reproduzierbare und gesicherte Ergebnisse zu erzielen. Dies ist jedoch ein grundsätzliches Problem und deshalb kein spezifischer Nachteil.

Der Hersteller hat einen eigenen automatischen Schüttler zur Erzeugung des Sättigungsdrucks im Lieferprogramm. Laut Herstellerspezifikation hat dieser Schüttler jedoch die Schutzart IP 40, das heißt er besitzt keinerlei Schutz gegen Feuchtigkeit und ist deshalb für den Einsatz an einer Abfüllanlage ungeeignet.

Bei den angegebenen Genauigkeiten überrascht, dass in dem Vortrag von Standardabweichung gesprochen wird und im Prospekt die Messgenauigkeit ohne den Zusatz Standardabweichung deutlich besser spezifiziert wird. Im Prospekt ist (ohne Bewertung der absoluten Werte) das Verhältnis zwischen Vergleichs- und Wiederholungsvertrauensbeweis nachvollziehbar, im Vortrag wird wider Erwarten für die Wiederholung eine größere Toleranz, als bei einer Vergleichsmessung angegeben. Dies widerspricht sämtlichen Grundlagen der Statistik.

Wenn ein und dieselbe Person mit demselben Messgerät zum Beispiel die Länge eines einzigen Blatt Papieres im Format A4 einhundert Mal misst, sollten die Messergebnisse doch sehr viel enger beieinander liegen, als wenn 100 verschiedenen Personen 100 verschiedene Blätter im Format A4 messen.

Widersprüchliche Angaben

Fragen zu dem Messystem werden vom Hersteller kaum beantwortet, da man fürchtet, dass Know-how an den Wettbewerb fließen könnte. Es wird gesagt, dass derzeit die „Ideen und Entwicklungen" sich in einem „patentrechtliches Verfahren" befinden würden. Dies ist schwierig nachvollziehbar, da das Gerät sich bereits seit zwei Jahren auf dem Markt befindet und vom Hersteller bis jetzt kein Patent zu dem Thema veröffentlicht wurde.

Die Fa. L pro srl aus Padova (Italien) vertreibt ein sehr ähnlich anmutendes Gerät, das sie auch patentiert hat. L Pro gibt als typische Messgenauigkeit einen Fehler von ± 0,1 bar beim Sättigungsdruck an und sagt, dass die Genauigkeit bei PET-Flaschen besser ist, als bei Glasflaschen, was sich mit der Aussage während des Vortrages in Köln weitgehend deckt.

Anscheinend sind zahlreiche Messungen und Untersuchungen durchgeführt worden, aber leider scheint es keine wissenschaftlich belastbare Studie über die Messgenauigkeit des Gerätes zu geben. Die Angaben im Prospekt und auf Vorträgen sind widersprüchlich. Da die Angaben in sich nicht schlüssig sind, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie auf tatsächlichen Messergebnissen beruhen, denn wenn jemand Ergebnisse erfinden würde, würden sie die Werbeaussagen bestätigen und wären logisch nachvollziehbar.

Wenn aber die Standardabweichung größer ist, als der absolute Messfehler, wenn eine Wiederholmessung größere Fehler zeigt als eine Vergleichsmessung, kann man davon ausgehen, dass diese Ergebnisse nicht geschönt sind. Warum veröffentlicht jemand Schlussfolgerungen und Genauigkeitsangaben, die auf nicht nachvollziehbaren Messwerten basieren?

Die Aussage, dass die Genauigkeit bei PET-Flaschen höher ist, als bei Glasflaschen, lässt an den grundsätzlichen Aussagen zur Art und Genauigkeit des Messprinzips zweifeln. Diese Zweifel werden noch durch die Aussage verstärkt, dass größere Mengen an Fremdgasen, das Messergebnis negativ beeinflussen.

Die von L pro srl angegebenen Daten sind nachvollziehbar, aber bescheinigen dem System auch einen deutlich größeren Messfehler. Jeder der schon einmal mit einem Photometer gearbeitet hat weiß, dass die Qualität der Küvette nicht zu vernachlässigen ist. Ist der Flaschenhals einer Flasche eine optimale Küvette? Wie genau sind die Maße des Flaschenhalses?

In dem Vortrag in Köln wurden zulässige Raumtemperaturen von + 10 bis + 35°C und zulässige Getränketemperaturen von + 10 bis + 25 °C genannt. Das heißt in einem Raum mit 35 °C müsste durch eine Temperaturmessung an der Oberfläche der Flasche unter Verwendung geeigneter Algorithmen die wahre Temperatur des zum Beispiels 10 °C kühlen Getränks in der Flasche bestimmt werden.

Weitere Zweifel

Falls das Getränk beim Schütteln aufgeschäumt ist, entsteht eine Wartezeit bis die Messung des CO2-Partialdrucks durchgeführt werden kann. Wenn der Temperaturunterschied Getränk zu Raum nennenswert sein sollte, ist anzunehmen, dass in dieser Wartezeit sich die Oberfläche der Flasche der Raumtemperatur schneller annähert als die des Getränks.

Es bestehen Zweifel, dass bei schaumbedingten Wartezeiten und großen Temperaturunterschieden zwischen Raum und Getränk, die Getränketemperatur durch eine Messung an der Oberfläche der Flasche mit einem Pyrometer genau genug errechnet werden kann.

Falls die Getränke-Temperatur unmittelbar nach Ende des Schüttelns durch Messung an der äußeren Oberfläche der Flasche bestimmt worden wäre und die Partialdruckmessung durchgeführt würde, nachdem der Schaum zusammen gefallen ist, stellt sich die Frage, ob trotz erwärmter Flüssigkeit der CO2-Partialdruck sich seit der Temperaturmessung nicht verändert hat oder wie die Veränderung durch eine Berechnung im Ergebnis berücksichtigt werden kann?

Maximal zulässige Werte und sonstige Werbeaussagen beeinflussen eventuell die Kaufentscheidung. Die tatsächlich zu messenden Getränke in den realen Packungen unter den üblichen Messbedingungen bestimmen die Praxistauglichkeit einer solchen Messeinrichtung.

Ob später zwei oder drei Handgriffe notwendig sind, oder ob das Ergebnis nach zehn Sekunden oder sieben Minuten vorliegt, können für den Anwender unbedeutend sein. Auch die vermutlich notwendige Verwendung eines mechanischen Schüttlers kann von untergeordneter Bedeutung sein.

Wenn der Betrieb eine Karbonisierung nach dem Stand der Technik betreibt, dient ein CO2-Messgerät nur der Kontrolle und muss nicht Referenzdaten für die Justierung der Karbonisierung bei Produktionsbeginn oder Produktwechsel liefern. Dass der wahre CO2-Gehalt in der Praxis keine Vorteile gegenüber dem Äquivalenzwert einer Vergleichsflüssigkeit liefert, wurde bereits in zahlreichen Veröffentlichungen beschrieben, da hier der CO2-Partialdruck und eine Temperatur gemessen werden, könnte der wahre CO2-Gehalt errechnet, aber nicht gemessen werden.

Die Messgenauigkeit der Getränketemperatur an der Oberfläche der Flasche sollte nicht höher sein können, als die während des Schüttelns direkt im Getränk gemessene Temperatur. Die Erfassung des CO2-Partialdrucks durch IR-Spektroskopie könnte theoretisch besser sein, als eine manometrische Methode, da das Manometer nur den Gesamtdruck, das heißt, die Summe der Partialdrücke der vorhandenen Gase misst.

Die Entfernung der Fremdgase vor der Messung durch eine nicht fachgerechte Druckentlastung, könnte bei der manometrischen Methode zu Fehlern führen. Automatisierte Schüttler schließen diesen Fehler weitgehend aus. Die möglichen Fehlergrenzen bei der hier genannten IR-Messmethode sind widersprüchlich, was darauf hindeutet, dass sie noch nicht hinreichend genug untersucht wurden.

Eine zerstörungsfreie Untersuchung hat natürlich insbesondere bei Standproben Vorteile, falls die Messgenauigkeit entsprechend hoch ist. Wenn das System tatsächlich dauerstabil und wartungsfrei ist, müsste es möglich sein, vom Hersteller eine entsprechend langjährige Garantie zu bekommen, die zum Beispiel durch eine Bürgschaft abgesichert wird, sodass die versprochene Sorglosigkeit auch tatsächlich gewährleistet wird.

Fazit

Bei Konsumgütern kennt man den Ausdruck der Waschmittelwerbung und akzeptiert, dass marktschreierisch jedes Jahr behauptet wird, dass das Mittel schon wieder sauberer als sauber wäscht und dass noch sauberer gar nicht möglich ist. Bei Industrieprodukten und insbesondere bei Messgeräten erwartet der Kunde hingegen wahre, nachprüfbare Aussagen. Wenn technische Angaben für ein Messgerät der Qualitätssicherung widersprüchlich und nicht nachvollziehbar sind und Fragen mit Phrasen, wie den Hinweis auf geheimes Know how beantwortet werden, ist es normal, wenn Zweifel aufkommen. Eine Temperatur z.B. mit einem Laserstahl zu messen, klingt innovativ. Eine Entfernung kann man sehr genau über die Laufzeit eines Laserstrahls bestimmen, aber funktioniert das auch bei einer Temperaturmessung? Übliche berührungslose Temperaturmessungen empfangen Wärmestrahlung, aber sie senden Laserstrahlen nur aus, um den Messfleck für den Betrachter zu markieren, für die Temperatur-Messung selbst, wird dieser Laserstrahl nicht verwendet. Nur weil etwas sehr teuer und scheinbar neu oder modern ist, muss es nicht zwangsläufig gut oder sogar besser sein, als das seit vielen Jahren Bewährte. Falls man die Anschaffung eines so „viel versprechenden“ Produktes erwägt, sollte man die Erfüllung dieser Versprechen vertraglich so absichern, dass das Risiko vollständig beim Lieferanten liegt, falls seine Versprechen nicht eingehalten werden.

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© 2015 by Raimund Kalinowski