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Raimund Kalinowski

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Energie-"Einsparung“

Raimund Kalinowski

Die Familie holt die Großmutter aus dem Altersheim ab, um einen Sonntagsausflug ins Sauerland zu starten. Nach nicht einmal 200 km bleibt das Fahrzeug liegen. Großmutter empfiehlt eindringlich doch einmal den Benzinstand zu kontrollieren. Da erst unmittelbar vor Antritt der Reise vollgetankt worden war, wird dieser Vorschlag belächelt. Als nach 2 Stunden endlich der gerufene Pannenhelfer eines Automobilclubs eintrifft und dieser sich nach dem Treibstoffvorrat erkundigt, reagieren schon alle etwas gereizt. Bei der folgenden Fehlersuche stellt sich ein leerer Tank als Folge eines Lecks im Treibstoffsystem als Ursache heraus. Oma nervt mit Ihrem Triumph. So dass die Wahrscheinlichkeit, dass sie in absehbarer Zeit wieder mitgenommen wird, mit jedem Kilometer Fahrtstrecke sinkt.

Simple Lösungen sind unpopulär, da selbst jemand ohne jeglichen Sachverstand auf eine solche Lösung kommen könnte. Der Sachkundige fühlt sich in solchen Fällen als Trottel, so dass keine Freude über die gefunden Lösung aufkommen kann. Vielmehr hegt der Betroffene Rachegelüste. So kann man keine gemeinsame Zukunft planen.

Früher akzeptierte man, dass jemand, der im operativen Geschäft eingebunden ist, kleine Unzulänglichkeiten oder Verbesserungsmöglichkeiten übersieht. Einmal jährlich kam der Technische Revisor und scheute sich auch nicht unpopuläre, simple Empfehlungen zu geben. In den meisten Brauereien wurde dieser Berater inzwischen „eingespart“. Beratung findet heute „kostenlos“ durch Lieferanten statt, die dem Wunsch nach großen, möglichst komplizierten, kostenintensiven Lösungen gerne entsprechen.

Wärmedämmung ist z.B. eine dieser unpopulären Maßnahmen, die sich z.B. im Sudhaus häufig in wenigen Monaten amortisieren kann.

Nach dem Energieerhaltungssatz kann Energie weder eingespart noch verbraucht werden. Eine Glühbirne verbraucht demnach keine elektrische Energie sondern wandelt sie nur um und zwar in Licht und in Wärme. Ziel eine Glühbirne zu betreiben ist im allgemeinen Licht zu erzeugen. Um elektrischen Strom in Wärme zu verwandeln gibt es wirtschaftlichere Methoden als den Betrieb einer Glühbirne. Wenn nachfolgend von Energieeinsparung gesprochen wird, ist damit gemeint, das weniger Energie umgewandelt wird, um das Ziel zu erreichen.

Politiker haben den großen Vorteil, das sie ohne (eingehende) Prüfung wirtschaftlicher Aspekte ungestraft Entscheidungen treffen können. So sind z.B. die Verpackungsverordnung oder das Kreislaufwirtschaftsgesetz entstanden. Zwar werden einige Konzerne nach politischen Regeln geführt, jedoch verlangen Lösungen die nicht den vorausgesagten Erfolg bringen, hier häufiger eine Bestrafung.

Wenn man davon ausgeht, das jede Brauerei zunächst nur ein Ziel hat, nämlich Bier in definierter, konstanter Qualität herzustellen, ist es falsch nach „Energieeinsparung“ zu fragen, um die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen sondern es sollte nur danach gefragt werden, mit welchem Aufwand welche Ausgaben in welcher Höhe reduziert werden können. Sinnvollerweise sollte eine solche Liste mit möglichen Maßnahmen erstellt und mindestens einmal im Jahr überprüft werden. Wenn hinter jeder Position die Amortisationszeit, oder neudeutsch ROI (return on investment) steht, muss man nur nach dieser Spalte die Maßnahmen sortieren und kann dann die Liste von oben nach unten abarbeiten, bis die zur Verfügung stehenden Mittel aufgebraucht sind. Falls überhaupt solche Listen erstellt werden, sind sie meist sehr unvollständig.

Nachfolgend sollen entlang der technologische Kette einige Maßnahmen aufgezeigt und bewertet werden. Falls möglich, werden nur solche Maßnahmen genannt, die eine direkte Einsparung zur Folge haben. In dem Beispiel mit der Glühbirne, könnte man als Direktmaßnahme z.B. LED-Leuchten einsetzen, die einen wesentlich höheren Wirkungsgrad besitzen als klassische Glühbirnen. Man könnte natürlich als indirekte Maßnahme die Abwärme der Glühbirne zur Raumheizung im Winter nutzen. Im Winter wäre dies auch eine direkte Maßnahme, da die anfallende Wärme sofort ohne Zwischenlagerung sinnvoll genutzt werden könnte. Falls diese Glühbirne jedoch auch betrieben werden soll, wenn kein Wärmebedarf besteht, z.B. im Sommer, müsste die Wärme zwischengelagert werden. Diese Zwischenspeicherung ist immer mit Verlusten behaftet. Eine Speicherung von Wärme über lange Zeiträume ist zwar über Latentwärmespeicher oder Erdspeicher möglich, aber nicht sonderlich wirtschaftlich.

Das Maschinen- und Kesselhaus soll hier als eine eigenständige Abteilung behandelt werden, da es nicht sinnvoll ist die Erzeugung von z.B. Druckluft einer bestimmten Brauereiabteilung zuzuordnen.

Die verschiedenen Brennstoffe zur Erzeugung der notwendigen Prozesswärme sollen hier nicht weiter behandelt werden, da eine Umstellung auf einen anderen Brennstoff sich nur selten lohnt, wenn nicht andere Faktoren, wie z.B. gesetzliche Auflagen einen zwingen sich hiermit zu beschäftigen.

Anders sieht es aus, wenn überlegt wird eine Kraft-Wärmekopplung zu installieren. Klassische Kraftwärmekopplungen amortisieren sich erst nach mehreren Jahren. Als Richtwert können hier 30.000 Betriebsstunden angenommen werden, wobei große Abweichungen von diesem „Normalwert“ möglich sind. Derzeit ist es durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und entsprechend ausgewählte Blockheizkraftwerke   die mit Pflanzenöl betrieben werden   möglich, Amortisationszeiten von deutlich unter 10.000 Stunden zu realisieren. Hierbei kommen keine klassischen Anlagen   sondern modifizierte Notstromaggregate   zum Einsatz. Hierdurch werden die Investitionskosten sehr deutlich reduziert. Die Haltbarkeit der eingesetzten Motoren ist zwar auch deutlich geringer als bei klassischen Anlagen, aber selbst falls der Motor alle 20.000 Stunden eine Grundüberholung benötigen sollte oder sogar ausgetauscht werden müsste, wäre die Wirtschaftlichkeit gegeben. Wirtschaftlich sinnvoll sind diese Anlagen meist nur bis zu installierten Leistungen von etwa 370 kW elektrisch (Energieaufnahme unter 1.000 kW). Wenn man davon ausgeht, das pro 1.000 hl Jahresaustoß max. 1 kW elektrisch installiert werden sollte, ist dies insbesondere für Brauereien ab 400.000 hl p.a. interessant.

Die Entscheidung für direkte oder indirekte Kühlung wird ähnlich emotional wie die pro oder contra Kernkraft getroffen. Andernfalls würde es in Brauereien ausschließlich mit Ammoniak betriebene, direkte Kühlanlage geben. Der Versuch einer „Missionierung“ soll hier aber unterbleiben. Wenn sich die Verdampfungs- und Kondensationstemperaturen nur um 1°C annähern sinkt der elektrische Energiebedarf um ca. 3%. Die Entscheidung über Art und Größe der Kältemittelkondensatoren sollte nicht ungeprüft dem Lieferanten überlassen werden. Wenn man die CO2 Verdampfung dazu nutzt das Kältemittelkondensat abzukühlen, verbessert dies direkt den Wirkungsgrad der Kälteanlage.

Es gibt Vor- und Nachteile für eine zentrale und auch für eine dezentrale Druckluftversorgung. Bei steigenden Energiekosten überwiegen meist die Vorteile der dezentralen Drucklufterzeugung. Ein kompletter Wechsel eines vorhandenen Systems ist jedoch meist nicht nötig bzw. wirtschaftlich nicht sinnvoll. Falls jedoch Druckluft für Aufgaben, wie das Abblasen von Flaschen vor der Etikettierung oder zum CO2-Ausspülen von Tanks verwendet wird, lohnt es sich fast immer hier einen   dem Bedarfsprofil angepassten   Drucklufterzeuger dezentral zu installieren. Die von Drehkolbengebläsen erzeugten Drücke reichen zum Flaschenabblasen im allgemeinen aus und zur Lüftung von Tanks können entweder Drehkolbengebläse oder Radialventilatoren zum Einsatz kommen. Die eingesetzte elektrische Energie wird bei Einsatz eines Radialventilators statt eines Druckluftkompressors mit einem Arbeitsdruck von 6 bar etwa um den Faktor 100 reduziert.

Bei der Überprüfung der Leckrate einer Druckluftversorgung werden nicht selten 5stellige Einsparpotentiale entdeckt. Bei neuen Anlagen sollten Lieferanten den Druckluftbedarf und die maximale Leckrate garantieren.

Aus der Kälte- und Drucklufterzeugung kann Wärme genutzt werden, um Wasser auf z.B. 25°C vorzuwärmen. Dieses lauwarme Wasser kann eingesetzt werden, wo durch Mischen mit Kaltwasser die Temperatur von Warmwasser reduziert werden soll, d.h. insbesondere im Sudhaus für das Maisch- und das Überschwänzwasser. Aber auch in CIP-Anlagen kann 25°C warmes Wasser sehr sinnvoll eingesetzt werden.

Im Bereich Malzlagerung und Schroterei sind Becherelevatoren und Trogkettenförderer die wirtschaftlichsten Förderer. 6 Walzen-Schrotmühlen sind wesentlich kostengünstiger zu betreiben als Nassschrotmühlen. Wobei die Wirtschaftlichkeit der Nassschrotmühle kaum verbessert wird, wenn man sie umbenennt und als Weichkonditionierapparat oder ähnliches bezeichnet.

Inzwischen haben die meisten Brauereien auf Infusionsmaischverfahren umgestellt. Falls noch Dekoktionsmaischverfahren angewandt werden, wird die Teilmaische nur auf Kochtemperatur erwärmt, es findet aber keine Verdampfung statt. Um Warmwasser zu sparen macht es Sinn das Warmwasser mit lauwarmen Wasser statt mit kaltem Wasser zu mischen. Zubrüh- bzw. Springmaischverfahren evtl. in Kombination mit einem Infusionsmaischverfahren sind in Deutschland fast in Vergessenheit geraten und werden fast nur noch bei Malzbieren eingesetzt. Sie bieten jedoch eine sehr einfache Möglichkeit Warmwasser äußerst zweckmäßig einzusetzen und dabei Frischdampf zu sparen.

Üblicherweise wird bei Temperaturen zwischen 76°C und 78°C abgemaischt. Als Grund wird hier in den Lehrbüchern die geringere Viskosität bei steigender Temperatur angeführt. abmaisch76Der Unterschied in der Viskosität von 72°C zu 78°C unter Berücksichtigung der Strömungsgeschwindigkeiten im Läutergerät sind zu vernachlässigen. Die α-Amylase hat ihre höchste Aktivität zwischen 72° und 75°C. Wenn man mit 72°C abmaischt und mit 72°C überschwänzt, ist die Nachverzuckerung effektiver. abmaisch_72Wenn man Wärmeübertrager einsetzt, um die Läuterwürze mit Warmwasser aus Kraftwärmekopplungen oder Pfannendunstkondensatoren anzuwärmen, ist die geringere Würzeeintrittstemperatur günstiger; denn die mittlere logarithmische Temperaturdifferenz des Wärmeübertragers sinkt bei sonst unveränderten Parametern. Es wird mehr Wärme übertragen als bei höheren Läuterwürzetemperaturen.

Bei der Verwendung von Warmwasser aus Pfannendunstkondensatoren wird das erzeugte Warmwasser erst beim darauffolgenden Sud für die Würzevorwärmung genutzt. Da das Warmwasser bei Sudpausen und am Wochenende an Wärme verliert, ist dieser Verlust in der Gesamtbilanz des Systems zu berücksichtigen.

Einige neue Würze-Kochverfahren haben die Verdampfung sehr deutlich reduziert. Einen Großteil der „Kochzeit“ wird die Würze nur bei Kochtemperatur gehalten. Die Steuerung der gesamten Kochung hat hier als Leitgröße den DMS-Gehalt.

Brüdendampfkompressionen verändern die Kochtechnologie kaum, d.h. im wesentlichen wird nur die Grenzflächentemperatur abgesenkt. Brüdendampfkompressionen können deutlich über 90% der Primärenergie, die für das Verdampfen notwendig ist, einsparen. Im Prinzip sind es hocheffiziente Wärmepumpen mit Leistungszahlen von über 30, sofern sie richtig ausgelegt werden. Wenn der Wärmeübertrager zur Zuführung der Kochenergie zu klein ausgelegt wird, können diese Anlagen schnell unwirtschaftlich werden. So gibt es vereinzelt installierte Anlagen, die Leistungszahlen von deutlich unter 10 aufweisen. Die Amortisationszeiten von vernünftig geplanten Anlagen betragen etwa 5.000 Sude.

Die Effektivität eines einstufigen Würzekühlers ist abhängig von der mittleren logarithmischen Temperaturdifferenz. Beim 2stufigen Würzekühler wird die Effektivität von der Differenz zwischen der Wassereintritts- zur Würzeübergabetemperatur bestimmt. Bei real ausgeführten Anlagen ist der 2stufige Würzekühler immer der mit dem geringeren Kühlmaschinenbedarf obwohl die 2stufigen Würzekühler selten optimal ausgelegt und gesteuert werden. Wenn die zweite Abteilung des 2stufigen Würzekühlers als Kältemitteldirektverdampfer betrieben wird, steigt die Wirtschaftlichkeit noch einmal deutlich an.wuerzekuehler

Es ist technisch möglich, auch Hefetanks mit Direktverdampfung auszurüsten. Aus technischer Sicht gibt es keinen Grund, einen Kühlmittel-Sekundärkreislauf in einer Brauerei zu installieren.

Der Wirkungsgrad einer Kreiselpumpe kann bei Pumpen mit Präzisionsgehäusen und Spiralkanal trotz offenen Laufrades ca. 70 % betragen. Die in vielen Brauereien üblichen Pumpen mit tiefgezogenem Gehäuse und Ringkanal erreichen selten einen Wirkungsgrad von über 50%.

Nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist die katalytische Wasserentgasung die günstigste und die thermische Wasserentgasung die teuerste.

Eine Kurzzeiterhitzungsanlage benötigt zwar mehr Energie als ein Sterilfilter, ist diesem aus wirtschaftlicher Sicht jedoch meist deutlich überlegen.kze

Getriebemotoren z.B. zum Antrieb von Scharnierbandketten werden meist als Stirnradgetriebemotoren bezeichnet. Hierbei handelt es sich um relativ einfach aufgebaute Schneckengetriebemotoren. Höherwertige Getriebekonstruktionen haben meist einen deutlich höheren Wirkungsgrad.

Legt man die Wärmeübertager z.B. der Flaschenwaschmaschine und der CIP-Anlagen entsprechend aus, kann man hier die Wärme aus Kolbenmotoren, wie sie bei den Eingangs erwähnten, einfachen Kraftwärmekopplungsanlagen eingesetzt werden, sinnvoll nutzen.

Die Nutzung von Wärme aus Abwasser ist im allgemeinen nicht wirtschaftlich. Ebenso ist der Einsatz einer mit Klärgas   das aus einer anaeroben Abwasseraufbereitung gewonnen wird   betriebenen Kraftwärmekopplungsanlage, nur bei sehr großen anaeroben Kläranlagen wirtschaftlich sinnvoll. Das Klärgas zu Heizzwecken einzusetzen ist aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus meist auf wenige Anwendungen innerhalb der Kläranlage beschränkt.

Ein solcher Überblick hat den Charakter einer unvollständigen Checkliste. Vergleichszahlen können theoretisch helfen Schwachpunkte und Potentiale aufzuspüren. Wegen der Einzigartigkeit der meisten Brauereien sind sie jedoch hierzu meistens nicht geeignet.

Ein externer Berater der einem hilft eine einzige Fehlinvestition zu vermeiden ist zwar meist so beliebt wie die nervende Großmutter beim Sonntagsausflug. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es fast immer sinnvoll die Planungen von Lieferanten von unabhängiger Stelle überprüfen zu lassen. Bemerkenswerterweise nutzen insbesondere Betriebe mit höchst kompetenten Betriebsleitern und entsprechend sauber ausgeführten Anlagen den Berater häufiger als solche, die ihn eigentlich am dringendsten nötig hätten.

 

 


© 2005 by Raimund Kalinowski