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Raimund Kalinowski

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Gasthofbrauereien

durch_fensterAls noch die Frau des Schultheiss oder die Bäuerin das Bier brauten, war die Aufgabe noch einfach, da die Ansprüche an das fertige Gebräu leicht zu erfüllen waren. Der Hauptanspruch, dass das „Bier“ nicht krank macht und der Zusatznutzen, dass es einem hilft, die Alterssorgen leichter zu bewältigen, waren in der Regel auch mit einem Gebräu zweifelhaften Aromas zu befriedigen. Die technischen Voraussetzungen zur Herstellung waren sehr gering.

Nach den Erkenntnissen von Louis Pasteur und den Entwicklungen insbesondere von Lindner und Hansen wurde das Geschmackserlebnis vorherberechenbar.

Brauen wurde von Traditionen beherrscht und auch die Einführung der Bierfiltration änderte nur wenig am Geschmack. Ein Ausstoß nahe dem Endvergärungsgrad und möglichst viel Hopfen waren die wichtigsten „Konservierungsmittel“. 1975 definierte sich ein normales deutsches Pils mit 30 bis 40 und ein Export mit 20 bis 30 EBC-Bittereinheiten. Bei der angestrebten Haltbarkeit von 6 Wochen wurde auf eine Eiweiß-Gerbstoffstabilisierung in der Regel verzichtet. Lange Reifungszeiten wurden noch als Werbebotschaft verwendet.

Bis Ende der 1970-er Jahre gab es eine große Geschmacksvielfalt in der deutschen Bierlandschaft. In Dortmund wurde noch eine nennenswerte Menge Exportbier gebraut, das deutlich bitterer war als die heute üblichen Pilsner Biere. Ein Stifts konnte auch von einem Gelegenheitsbiertrinker noch vom Thier oder Kronen unterschieden werden.

Der damalige große Erfolg einer bestimmten Brauerei, die mit möglichst geringen Kosten ein Bier herstellt, dass von möglichst vielen Leuten akzeptiert wird, führte zu einer Veränderung in der Bierlandschaft. Viele Brauereien sahen sich „gezwungen“ das Konzept zumindest teilweise zu kopieren.

Da in Vergleichstest schwach gehopfte Biere besser abschneiden, wurde die Hopfengabe kontinuierlich reduziert, was auch die Kosten reduzierte. Das man von stärker gehopften Bieren größere Mengen trinken kann, bevor man „satt“ ist, blieb ebenso unberücksichtigt wie die Tatsache, dass der normale Biertrinker keine „Vergleichstests“ veranstaltet.

Der Bier-Pro-Kopf-Konsum ist in Deutschland in den vergangenen 30 Jahren um fast ein Drittel gesunken. Über die Gründe gibt es zahlreiche Hypothesen; aber ob es nun von Gott so gewollt ist oder ob das Bier dem Konsumenten nicht mehr schmeckt, ändert wenig an dieser Entwicklung. Die Erkenntnis hierüber kann aber für eine Produktstrategie sehr hilfreich sein.

Neue Konsumenten zu gewinnen ist in der Regel schwieriger, als Konsumenten zum Probieren oder zum Ändern der Marke zu bewegen. Neues übt einen Reiz aus, dem jedoch nur nachgegeben wird, wenn die Verfügbarkeit gewährleistet ist. Ein idealer Standort für eine Gasthofbrauerei ist deshalb dort, wo sich häufig und regelmäßig viele Konsumenten aufhalten; dies sind in der Regel die Kneipenviertel der Großstädte.

Anfang der 1980-er war man der Überzeugung eine Gasthofbrauerei ist immer Erlebnisgastronomie, d.h. ähnlich wie ein Kettenkarrussel oder ein aufwendiger Springbrunnen, muss die Brauanlage in die Gaststätte integriert werden und auch die visuellen Sinne reizen. So wie ein Texaner erwartet, das Eskimos in Iglus wohnen, alle Männer in Schottland Röcke und in Deutschland Lederhosen tragen, so erwartet der Besucher einer Gasthofbrauerei kupferne „Kessel“, eine offene Gärung und ein schwach gehopftes, unreifes, unfiltriertes Bier mit geringem Endvergärungsgrad.

Dieses Konzept muss nicht von Erfolg gekrönt werden. Bereits Ende der 1980-er schlossen die ersten Gasthofbrauereien für immer ihre Pforten, obwohl sie diesem Konzept folgten, jedoch das Umfeld unberücksichtigt ließen.

Wenn man versucht ein Konzept zu kopieren, wird der Erfolg meist deutlich geringer oder der Aufwand deutlich höher ausfallen, als beim Original.

Was ist aber nun wirklich wichtig? Zunächst muss das gastronomische Konzept stimmen. Eine leere, unattraktive Kneipe füllt man nicht dadurch mit Gästen, dass man darin nun Bier braut. Die Gasthausbrauerei kann aber, gegenüber der vergleichbaren Gaststätte ohne eigenes Bier, mehr Bier verkaufen, wobei der Bierpreis vergleichbar zu dem des Wettbewerbers sein sollte.

Neben den Kosten für die Brauanlage ist der Platzverbrauch, z.B. durch eine kalkulatorische Miete, zu berücksichtigen. Diese Raumkosten können die Höhe der Kosten für den Brauer erreichen oder sogar übersteigen. Beim Einsatz von Sudpfannen, die wie Christbaumkugeln strahlen und einer maschinentechnischen Ausstattung, die hohen optischen und brautechnischen Anforderungen gerecht wird, sind die Kapitalkosten häufig der größte zu berücksichtigende Posten. Wenn die Gasthausbrauerei profitabel arbeiten soll und die Fixkosten hoch sind, muss ein entsprechend hoher Ausstoß realisiert werden. Je höher der errechnete notwendige Ausstoß ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Anlage keine wirtschaftlich sinnvolle Investition darstellt.

Was ist nun der Ausweg?

Prinzipiell gibt es mindestens 3 Ansatzpunkte:

  • einen Standort wählen, bei dem der nötige Ausstoß problemlos zu erzielen ist

  • die Investitionskosten drastisch reduzieren

  • die Gasthausbrauerei in einer ggf. außerhalb gelegenen Gaststätte, z.B. bei einem Dorfgasthof, installieren und von hier aus eine oder zwei weitere Gaststätten - bevorzugt in „Kneipenvierteln“ - beliefern.

Geeignete Standorte mit einem dauerhaften Bierumsatz von mehreren Tausend Hektolitern sind in Deutschland eher selten zu finden. Die beiden anderen Punkte können getrennt oder aber auch gemeinsam betrachtet werden. Da die Wirtschaftlichkeit mit der Produktionsmenge steigt, ist es erwägenswert, das im kleinen Maßstab produzierte Bier auch in ein oder zwei weiteren Gaststätten oder auf Großveranstaltungen, wie z.B. Volksfesten auszuschenken.

Wenn man die Investitionskosten senken will, kann man an der Optik und/oder an der Brautechnik sparen. Erfahrungen zeigen, dass dem Gast die Optik weit weniger wichtig ist, als man allgemein annimmt. Alle gewählten Maßnahmen sollten aber authentisch sein, ein Bühnerbild wird der Gast früher oder später als solches erkennen.

Das Fehlen eines handgetriebenen Wasserfangrings oder einer über 5000,- Euro teuren Dachdurchführungsrosette wird dem Gast vermutlich ebensowenig auffallen, wie fehlende Aufpumprohre oder fehlende Flursäulen. Kamine haben häufig keine Funktion, sodass man statt Attrappen aufzubauen und einen Pfannendunstkondensator schamhaft zu verstecken, die Technik billiger und ehrlicher auch zeigen und erklären kann. Statt Kupfer, kann man auch schwarzes Kesselblech einsetzen oder sich zu Edelstahl rostfrei bekennen. Sämtliche Maßnahmen müssen aber zum Gesamtkonzept passen. Eine Rundumsorglos-Anlage für unter 100.000,- Euro wird möglicherweise nicht einmal geringsten heutigen Ansprüchen genügen.

Das in der Gasthausbrauerei erzeugte Bier darf deutlich anders schmecken, als ein normales Pilsner aus dem Supermarkt, es muss aber genügend Leute geben, die dieses Bier mögen.

Es gibt eine nennenswerte Anzahl von Liebhabern von Diacethyl- und Jungbiergeschmack, selbst Freunde von DMS sind regelmäßig anzutreffen. Liebhaber von angebrannte Maische, autolysierter Hefe oder Stoffwechselprodukten von Lactobazillen und Entereobacteriaceae sind hingegen nur äußerst selten anzutreffen. Da hilft es auch nicht wirklich, wenn einige Leute geschmacksblind z.B. für Schwefelverbindungen sind, da über solche Geschmacksfehler auch unter den (potenziellen) Gästen gesprochen wird. In englisch orientierten Gasthausbrauereien werden häufig einige Stamm- sowie einige ständig wechselnde Biersorten hergestellt. Sondersorten, werden teilweise problemlos deutlich teurer verkauft, da die Vergleichbarkeit durch mindestens eine Stammsorte gewährleistet wird. In deutschen Gasthausbrauereien wird hingegen in der Regel ein helles Vollbier als Hauptsorte produziert. Manche Brauereien produzieren auch ein dunkles, häufig diacethyllastiges Bier oder saisonal einen Bock. Manche Geschmacksrichtungen sind nicht gewollt sondern ergeben sich durch die Restriktionen der maschinellen Ausrüstung.

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Abb.: Sudhaus mit Edelstahlverkleidung

Wo lässt sich nun konkret Geld einsparen? lbboden

Abb.: Läuterbottich mit höhenverstellbaren Aufhacker, seitliche Treberluke und gestanzter Senkboden

 

Üblicherweise wird ein 2-Geräte-Sudwerk mit Warmwassertank und Whirlpool gewählt. Eine Ausführung in Schwarzstahl ist kaum billiger als Edelstahlgefäße. Einer äußere Abdeckung der Wärmedämmung aus Kunststoff oder Holz ist sehr preiswert. angebr_pfanne

Abb.: Angebrannte Pfanne wegen Ausführung von Rührwerk und Heizung

Die Beheizung der Pfanne ist ein großer Kostenfaktor. Die billigste Lösung ist eine elektrische Heizpatrone mit einer Leistung von 36 kW. Mit einer eingebrachten Leistung von 36 kW können 5,5 hl Maische in einer Minute um etwa 1°C aufgewärmt werden. Ein Problem der elektrischen Heizpatrone ist die Grenzflächentemperatur, da sich die Heizleistung in der Regel auf eine kleine Fläche verteilt. Ebenfalls problematisch ist die begrenzte Heizleistung; um 11 hl Würze von 72°C auf Kochtemperatur zu bringen, benötigt man mit einer elektrischen 36 kW Heizung etwa eine Stunde. paella_brenner

Abb.: kleiner "Paellapfannen-Brenner"

Mit Schamottsteinen ausgemauerte Stahlbaufeuerungen sind teuer und werden praktisch nicht mehr angeboten. Offene Brenner, wie man sie zum Beheizen großer Paellapfannen vermutlich sonst in Villarriba und Villabajo verwendet, sind deutlich billiger, aber noch weniger effizient. Die Verzunderungsgefahr ist beim Einsatz von Edelstahl und direkter Befeuerung zu berücksichtigen. Wenn der „Paellapfannenbrenner“ nicht nur nach der thermischen Leistung sondern auch nach der Bauart gewählt wird, ist es möglich erträgliche Grenzflächentemperaturen zu realisieren. Da diese Brenner ausreichend Zug und Zuluft benötigen, ist der Betrieb in geschlossenen Räumen auch unter Sicherheitsaspekten nicht ganz einfach. Selbstgebastelte Feuerungen mit Gebläsebrenner sind dem „Paellapfannenbrenner“ in der Regel vorzuziehen; die Funktion hängt aber auch hier sehr stark von der Ausführung ab. Eine Dampfheizung, evtl. sogar mit externem Rohrbündelwärmeübertrager, ist technisch die sauberste Lösung, aber in Verbindung mit dem Dampferzeuger auch eine sehr teure. ungeeign_pumpe

Abb.: für Würze ungeeignete mehrstufige Kreiselpumpe eines namhaften Herstellers

Auf einen Aufhacker im Läuterbottich kann eher verzichtet werden, als auf einen vernünftigen Senkboden. Ein dicker, gefräster Senkboden ist vielleicht erstrebenswert, ein Senkboden aus Profildraht (Spaltsiebboden) ist ihm im Ergebnis aber praktisch gleichwertig und deutlich billiger. Ein Treberauslass nach unten ist deutlich komfortabler, als ein seitlicher, aber ein motivierter Brauer gewöhnt sich auch an die seitliche Klappe. alte_pfanne

Abb.: Original alte Kupferpfanne in sehr einfacher Ausführung

Auf einen separaten Whirlpool, der auch als Warmwassertank genutzt werden kann, sollte man nach Möglichkeit nicht verzichten.

Ein Standard-Kaltwassersatz, der ein Glykol-Wassergemisch kühlt, ist günstiger als ein Eisspeicher. Der Würzekühler sollte dann zweistufig für eine möglichst hohe Warmwassertemperatur (>90°C) ausgelegt werden. Auch wenn sich hier scheinbar 1000,- Euro einsparen ließen, zahlt es sich aus, vernünftig kühlen und Anschwänzen zu können.

Eine Automatik zur Steuerung der Maischarbeit ist ein Komfort, den man erwägen kann, weitere Automatikfunktionen oder fernsteuerbare Ventile sind in der Regel jedoch nicht zwingend erforderlich.

Eine geschlossene Gärung ist auch in einer Gasthausbrauerei leichter zu beherrschen. Statt Gärtanks mit Kühltaschen auszurüsten, kann man erwägen Tanks für eine zulässigen Druck von z.B. 3,5 bar zu installieren, um ohne Kühlung während der Gärung Druck und Temperatur ansteigen lassen zu können. Mit einem Tiefkühler wird dann das Jungbier von den sich ergebenden ca. 24 … 26°C auf minus 2°C gekühlt, um eine kurze kalte Reifungsphase zu durchlaufen. Die Gesamtanzahl der Tanks und die Investition können hierdurch gering gehalten werden.

Eine Festverrohrung im Kellerbereich als Rohrzaun ausgeführt ist auf Dauer billiger, als der Einsatz von Schläuchen und fahrbaren Pumpen. Der Herstellername sagt bei Pumpen und anderen Bauteilen nichts über deren Eignung für den vorgesehenen Prozess aus.

Einige namhafte Anbieter haben aus wirtschaftlichen Gründen die Fertigung von Gasthausbrauereien eingestellt. Wenn es um minimale Investitionskosten geht, wird man regelmäßig auf wenig erfahrene oder/und auf wenig lernfähige Anbieter treffen.

Wenn man die Gasthofbrauerei auch zum Entwickeln neuer Biersorten oder Technologien verwenden will, ändert sich die Ansichtsweise ebenso, wie wenn man die Gasthausbrauerei primär als Dekorationsgegenstand, vergleichbar mit Wandteppichen oder Ritterrüstungen, ansieht.

Bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen ist es häufig schwierig festzustellen, wie viel Bier weniger getrunken worden wäre, wenn die Ritterrüstung, der Wandteppich oder die Gasthausbrauerei nicht da wären.

Ähnliches gilt für die Anzahl der Biersorten. Denn ob zusätzliche Biersorten den Umsatz stärker steigern, als die mit deren Herstellung verbundenen Kosten, bleibt in der Regel offen.

So wie ein Brotbackautomat trotz entsprechender Werbeaussagen keinen Bäckermeister ersetzt, so sollte die maschinelle Einrichtung von einem erfahrenen Brauereitechniker mit ausgewählt werden und ein qualifizierter Brauer sollte sie bedienen.

Neben den zuvor genannten Details ist eine Gasthausbrauerei immer Teil eines gastronomischen Konzepts und nur wenn dies schlüssig und authentisch ist, kann es zu einem wirtschaftlichen Erfolg werden.

 


© 2007 by Raimund Kalinowski