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Raimund Kalinowski

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Design beeinflusst Wohlbefinden

Hygienisches Design

Hygiene verfolgt nur ein Ziel, nämlich das Wohlbefinden des Menschen nicht negativ zu beeinflussen. Selbstverständlich würde diese Aussage einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung nicht stand halten, entließe man z.B. einen unliebsamen Mitarbeiter mit einer solchen Begründung. Auch wenn manche Mitarbeiter dazu geeignet sind, die Bildung von Magenkarzinomen oder Herzinfarkten zu fördern, ist es nicht zulässig diese Mitarbeiter als unhygienisch zu bezeichnen obwohl sie es nach der eigentlichen Bedeutung des Wortes möglicherweise sind.

Auch wenn Hygiene im täglichen Sprachgebrauch fast ausschließlich als Synonym für Sauberkeit oder Reinigungsfähigkeit benutzt wird, ist Hygiene etwas anderes.

In deutschen Krankenhäusern erwartet man einen hohen Hygienestandard. Die Flure und Krankenzimmer werden mit Desinfektionsmittel behandelt, Ärzte und Pfleger tragen Einmalhandschuhe, Kanülen und Instrumente sind selbstverständlich steril. Es gibt Hygienfachkräfte und Hygienebeauftragte, ein Qualitätsmanagementsystem und klare Hygienvorschriften mit entsprechenden Arbeitsanweisungen. Die Infektion von Methicillin bzw. Oxacillin resistenten Staphylococcus aureus [MRSA bzw. ORSA] bezogen auf alle Staphylococcus aureus Infektionen betrug im Jahre 2003 in Deutschland rund 20% (1999 betrug sie weniger als 10%) und ist kontinuierlich ansteigend. In den Niederlanden beträgt die MRSA/ORSA-Rate seit vielen Jahren nur etwa 1%. MRSA/ORSA ist die typische Krankenhausinfektion und zeigt im wesentlichen die Wirksamkeit der umgesetzten Hygienemaßnahmen an.

Richtlinien und Vorschriften nützen wenig, wenn deren Einhaltung nicht kontrolliert und eine Abweichung nicht sanktioniert wird. Bevor man sich als Patient in ein Krankenhaus einweisen lässt, sollte man nach der MRSA/ORSA-Statistik in diesem Haus fragen. Es verwundert sicherlich nicht, dass z.B. in einem Krankenhaus mit einer MRSA/ORSA-Rate von deutlich über 40% eine Ärztin mit offenem Kittel, nacktem Bauch und Bauchnabelpircing zur Visite erscheint. Ein Arzt zieht im selben Krankenhaus eine Schere aus der Hosentasche, um einen Verband aufzuschneiden und ein gerade eingewiesener Patient findet ein Damennachthemd in seinem Bett, da das Bett bei der Bettenaufbereitung offensichtlich „durchgerutscht ist“. Bei diesem Beispiel handelt es sich übrigens um ein reales, großes Krankenhaus mit über 500 Betten in dem die Diakonie das Sagen hat. Obwohl dieses Krankenhaus noch keine zwanzig Jahre alt ist, gibt es keine Patientenzimmer mit Dusche.

Wie dieses Beispiel zeigt hat Hygiene etwas mit der persönlichen Einstellung zu tun. Die Vorbildfunktion der leitenden Mitarbeiter und das Betriebsklima haben größere Einflüsse, als Arbeitsanweisungen oder Bauteile mit EHEDG-Zertifikat.

Dies bedeutet aber auf gar keinen Fall den Umkehrschluss, dass sorgfältig ausgewählte und geprüfte Bauteile überflüssig wären. So greift z.B. im Krankenhaus das Medizingerätegesetz, das in unmittelbarer Umgebung des Patienten ausschließlich Geräte zulässt, die dem Medizingerätegesetz entsprechen und z.B. desinfizierbar sind. Obwohl es entsprechende Rechner gibt, werden aus Kostengründen häufig handelsübliche Laptops eingesetzt, die mit ihren internen Lüftern die Keime ansaugen und dann auf Ihrem Weg durch das Krankenhaus diese dort gleichmäßig verteilen. Da kaum ein Patient, der sich eine Krankenhausinfektion zugezogen hat gegen das Krankenhaus klagt, ist es für das Krankenhaus wirtschaftlich vertretbar, gegen geltende Vorschriften zu verstoßen. Teilweise schwere Infektionen und auch Todesfälle werden billigend in Kauf genommen. Dass es anders geht, beweisen die Niederländer und auch die skandinavischen Länder.

Dieser Ausflug in die Medizin zeigt, dass wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen äußerst fragwürdig und unsinnig sein können.

So wie im Krankenhaus, entscheiden auch in Abfüllbetrieben häufig Personen, die nicht den notwendigen Sachverstand besitzen. Solange kein verdorbenes oder sonstwie kontaminiertes Produkt in den Handel gelangt, scheint die Welt für sie in Ordnung zu sein.

So wie ein bestimmter Prozentsatz des Deckungsbeitrages zurück in den Markt fließt, sollte ein fester Anteil zur Verbesserung der Produktion aufgewendet werden.

Auch mit konventionellen Maschinen können fruchtsafthaltige Limonaden ohne den Zusatz von Konservierungsmitteln oder nicht deklarationspflichtigen Kaltentkeimungsmitteln wie Dimethyldicarbonat hergestellt werden. Das Wohlbefinden des Menschen ist nicht messbar. Unwohlsein findet häufig im Kopf statt. Angst oder Ekel sind häufige Auslöser für dieses Unwohlsein. Der Gedanke, das Keime chemisch inaktiviert werden und sich danach zusammen mit den Zerfallsprodukten wie z.B. Methanol im Getränk befinden, würde bei zahlreichen Verbrauchern ein Gefühl auslösen, dass sicherlich nicht zu einem verstärkten Kaufanreiz führen würde.

Große erfolgreiche Firmen bewegen sich nicht nur innerhalb der Gesetze sondern treffen frühzeitig strategische Entscheidungen für die Zukunft, weil sie es sich nicht leisten können, heute den wirtschaftlich „sinnvollsten“ Weg zu gehen.

So, wie Brauereien „Premium“ aufs Etikett drucken, schmückt sich heute fast jede Dorfschlosserei mit dem Zusatz „Anlagenbau“. Wer in der Lage ist einen Fernseher mit einem DVD-Spieler zu verbinden, hat streng genommen eine Anlage verkabelt. Es ist schön, wenn man Erfolgserlebnisse hat und auf seine Leistungen stolz sein kann. Wenn ein „Anlagenbauer“ stolz verkündet, er habe besseres mit seiner Zeit zu tun als Fachzeitschriften zu lesen, sollte man die Kompetenz des „Anlagenbauers“ kritisch hinterfragen. Dies ist umso wichtiger, wenn weder klassische Anlagenbauer noch externe Berater in ein Projekt involviert werden und man diesen Montagefirmen mit dem „Anlagenbau“ im Firmennamen, tatsächlich die Entscheidung über einzusetzende Bauteile oder sonstige Ausführungen überlässt.

Nachfolgend sollen beispielhaft einige Details beschrieben werden, die besonders häufig nicht bedacht werden.

In jeder Anlage werden Ventile eingesetzt. Seit der Erfindung des Scheibenventils - vor etwa 40 Jahren - hat es einen weltweiten Siegeszug angetreten und ist aus Getränkebetrieben nicht mehr wegzudenken. Inzwischen gibt es zahlreiche Kopien und auch einige Weiterentwicklungen. Die Qualität eines Scheibenventils ist visuell kaum erkennbar. Insbesondere einige Kopien sehen von der Oberflächengüte und von der Fertigungsqualität her besser aus, als Ventile der bewährten Hersteller.

Der Arbeitslohn hat heute einen Anteil von weniger als 10% am Verkaufspreis eines Scheibenventils. Um ein optisch ansprechendes und vergleichsweise billiges Scheibenventil zu verkaufen reicht es somit nicht aus, nur die Lohnkosten zu senken. Auch Entwicklungskosten beeinflussen den Verkaufspreis kaum. Häufig sind es viele kleine Details, die zusammen genommen die Qualität ausmachen. Bei der Prüfung verschiedener Scheibenventile wurde z.B. festgestellt, dass sie teilweise den angegebenen zulässigen Betriebsdruck nicht stand halten. Teilweise lecken sie bereits bei Drücken von unter 6 bar. Üblich sind heute Angaben von 10 bar für Gehäuse und Klappe. Es sind aber auch Ventile verfügbar, die für einen Gehäusedruck von 16 bar, die z.B. im Einlauf eines Kurzzeiterhitzers auftreten, zugelassen sind. Die Prüfdrücke sind üblicherweise um ein vielfaches höher als die angegebenen Drücke. Neben zu großen Fertigungstoleranzen findet man bei einigen Scheibenventilen auch Bauteile aus Feinguss anstelle von Schmiedematerial. Teilweise ist das Materialgefüge der Schmiedeteile mangelhaft.

Früher waren Scheibenventildichtungen meist aus Silikon, da sie den niedrigsten Verkaufspreis hatten. Heute sind Scheibenventildichtungen meist immer noch aus Silikon, ohne das es dafür rational nachvollziehbare Gründe gibt. Dichtungen aus EPDM wurden ständig weiterentwickelt und weisen in der Beständigkeit und in den mechanischen Eigenschaften deutliche Vorteile gegenüber Silikon auf. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Werte, die ein Hersteller angibt, der Dichtungen aus diesen beiden Werkstoffen zum absolut identischen Preis anbietet!

Eigenartigerweise überlassen viele Abfüller die Auswahl des Dichtungswerkstoffs dem Anlagen-Lieferanten und sind noch immer der Überzeugung, dass Silikon der preisgünstigste Werkstoff wäre. Jeder der schon einmal Silikon zum Abdichten von Fugen eingesetzt hat weiß, dass Silikon relativ empfänglich für mikrobiologischen Befall ist. Ein von der EHEDG akkreditiertes Labor hat festgestellt, dass Silikondichtungen aus mikrobiologischer Sicht deutlich schlechter abschneiden als z.B. Dichtungen aus Viton, HNBR oder EPDM. Es ist etwas verwunderlich, dass die von der EHEDG akkreditierten Laboratorien bei bestandenen Prüfungen bis heute nicht angeben, mit welchen Dichtungswerkstoffen getestet wurde. Dies gilt natürlich nicht nur für Scheibenventildichtungen sondern generell. Insbesondere bei Pumpen hat die eingesetzte Gleitringdichtung einen großen Einfluss auf das Bestehen der EHEDG-Prüfung.

Die Druck- und Saugstutzen von Pumpen werden standardmäßig meist mit Gewindestutzen nach DIN 11851 (Milchrohrverschraubung) geliefert. Auch Rückschlagventile, Schwenkbogenpaneele oder sonstige Rohrverbindungen werden meist in nach dieser Norm ausgeführt.

Eigentlich ist diese Norm einmal für Schlauchleitungen entwickelt worden. Für Pumpen, Rohrverbindungen oder Rückschlagventile ist sie eigentlich ungeeignet. Ein Zwischenflanschrückschlagventil ist nicht nur technisch die bessere Lösung sondern unter Berücksichtigung der Kosten für die Gegenverschraubung meist preisgünstiger, als ein Rückschlagventil mit Gewindestutzen nach DIN 11851. Eigenartigerweise werden trotzdem meist Rückschlagventile mit Gewindestutzen nach DIN 11851 eingesetzt.

Für Schwenkbögen sollten Verschraubungen nach DIN 11853 (früher „Aseptikverschraubung“ nach DIN 11864 „kurze Ausführung“) eingesetzt werden. Wie alle Rohrverbindungen nach DIN 11853 weist sie einen metallischen Anschlag auf, der die prinzipiell als O-Ring ausgeführte Dichtung definiert verformt, ferner sind alle Rohrverbindungen nach DIN 11853 (früher DIN 11864 „kurze Ausführung“) selbstzentrierend. Neben Pumpen und Rückschlagventilen sollten sämtliche Rohrverbindungen, die nicht häufig gelöst werden, als hygienische Flanschverbindung mit O-Ringabdichtung und metallischem Anschlag bevorzugt nach DIN 11853, ausgeführt werden.

Probenahmeventile sind weiterhin die Bauteile, mit denen sich der Anlagenbetreiber kaum auseinander setzt. Rohrgewinde und Flachdichtungen oder ein Einbau mit Teflonband disqualifizieren „Anlagenbauer“ und Lieferanten hygienischer Armaturen. Nicht CIP-fähige Probenahmeventile beherrschen weiterhin den Markt.

Die Rohrleitungsführung, der Einbau von Armaturen und Komponenten, die Erreichbarkeit von Bedienelementen oder die Beleuchtung der Anlage sind nur einige wenige Aspekte, die die Ergonomie und somit das Wohlbefinden des Bedieners beeinflussen. Von reinen Montagebetrieben darf nicht erwartet werden, dass sie über den notwendigen Sachverstand verfügen um Komponenten optimal auszuwählen und anzuordnen.

Die hier genannten Maßnahmen sind entweder kostenneutral oder beeinflussen die Gesamtkosten vernachlässigbar gering. Umso mehr verwundert es, dass der weitaus größte Teil der Anlagenbetreiber diese Punkte unberücksichtigt lässt und dem Lieferanten häufig ohne jede Diskussion die Auswahl der Komponenten und Ausführungen überlässt.

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© 2008 by Raimund Kalinowski