Hinweise
zur Aufbereitung, Behandlung und Abfüllung von Wasser
Regeln
bestimmen das Leben. Selbst im Chaos sind noch Regeln erkennbar.
Naturwissenschaftliche Regeln werden entdeckt und entsprechend
dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft in das Gesamtsystem
integriert. Andere Regeln werden von Menschen erdacht. Nur wenn
man überholte Regeln ersetzt und neue bessere Regeln findet,
findet Fortschritt statt.
Als der Lehrer die Formel H2O an die Tafel schrieb und fragte
was das sei, meldete sich Sabine und sagte stolz: „Die Sauerstoffsäure!”,
denn sie hatte gelernt, wenn vorne Wasserstoffatome stehen, dann
handelt es sich um eine Säure und bei zwei Wasserstoffatomen
und einem einzelnen Sauerstoffatom am Ende, musste es sich nach
Ihrer Überzeugung außerdem um eine sehr starke Säure
handeln, die ihren Namen durch das „Anhängsel”
dem Sauerstoffatom bekam.
Wenn man HOH statt H2O schreiben würde, hätte Sabine
vermutlich erkannt, dass das „vorne eine Säure und
hinten eine Base” ist. Diese Diskussion mag albern erscheinen?
Aber so wie Sabine in der Schule nach Regeln lernt, um etwas zu
verstehen, so arbeiten wir alle nach Regeln, die wir glauben verstanden
zu haben oder die die Gesellschaft oder der Gesetzgeber uns vorschreiben.
So wie gesetzliche Regeln sich ändern, ändern sich auch
technische Erkenntnisse. Lobenswerterweise versucht der Gesetzgeber
häufig Regeln zu vereinfachen oder klarer zu formulieren.
Aber selbst wenn fast alle erkennen, dass sich hinter der Formel
H2O einfach Wasser verbirgt, gibt es auch die Sabines dieser Welt,
die glauben das Recht zu haben, H2O als Sauerstoffsäure zu
bezeichnen. Somit muss der Gesetzgeber bei der Formulierung von
Regeln primär an Sabine und nicht an den normalen Bürger
denken.
Nach der alten Mineralwasserverordnung durfte man das Wasser enteisen,
unabhängig davon ob sich im Ausgangswasser Eisen befand.
Aktuell heißt es: „Die Anwendung des Verfahrens nach
Absatz 1 Nr. 2 [Abtrennen von Eisen-, Mangan- und Schwefelverbindungen
sowie Arsen unter Verwendung von mit Ozon angereicherter Luft,
sofern die Zusammensetzung des natürlichen
Mineralwassers durch dieses Verfahren in seinen wesentlichen,
seine Eigenschaften bestimmenden Bestandteilen nicht geändert
wird;]ist nur zulässig, wenn eine solche Behandlung auf Grund
der Zusammensetzung des Wassers aus Eisen-, Mangan- und Schwefelverbindungen
sowie Arsen zu technologischen Zwecken gerechtfertigt ist;”.
Technologie ist die Lehre oder Wissenschaft der Technik. Was will
uns der Gesetzgeber mit der Formulierung „zu technologischen
Zwecken” sagen bzw. vorschreiben? Vermutlich meint der Gesetzgeber:
„wenn das Verfahren geeignet ist, den Gehalt an Eisen-,
Mangan- und Schwefelverbindungen sowie Arsen nennenswert zu senken”,
aber er schreibt es nicht. Was ist ein „technologischer
Zweck”? Nach Wikipedia wird als Zweck der Beweggrund einer
zielgerichteten Tätigkeit oder eines Verhaltens verstanden.
Wenn also der wissenschaftliche Beweggrund der Ozonverwendung
z.B. wäre festzustellen, ob sich durch die Ozonbehandlung
weder Arsen noch Mangan bilden, wäre dann das Verfahren zulässig?
Das klingt natürlich unsinnig, aber in vielen Betrieben gibt
es eine „Sabine”.
Stilles Mineralwasser wurde praktisch ausnahmslos unter der Verwendung
von Ozon enteisent, da es technisch nicht vermeidbar ist bei der
„Enteisenung” mit Ozon das Wasser auch zu entkeimen.
Eine Entkeimung des Mineralwassers mit Ozon war und ist auch weiterhin
nicht zulässig. Eine Filtration ist nur zur Abtrennung unbeständiger
Inhaltsstoffe, wie Eisen- und Schwefelverbindungen erlaubt. Was
bedeutet in diesem Zusammenhang das Adjektiv „unbeständig”?
Sind Mikroorganismen „unbeständige Inhaltsstoffe”?
„Sabine” wird diese Frage sicherlich schon für
sich beantwortet haben.
Bei der Herstellung bzw. Abfüllung von Wasser für den
menschlichen Genuss gibt es u.a. drei Problemkreise:
- mikrobiologische Haltbarkeit
- Entfernung von Feststoffen
- Lösen von Gasen
die nachfolgend näher betrachtet werden sollen.
Abb.
1 eingeschweißte Kreiselpumpen
In der Quelle ist das Wasser (nahezu) steril. Bei einer hygienisch
optimalen Gestaltung der Anlage sollte dieser Zustand aufrecht
erhalten werden. Wenn eine erhöhte Keimbelastung festgestellt
wird, benötigt man kein Verfahren zur Keimreduzierung sondern
man hat ein grundsätzliches Problem, das es zu beseitigen
gilt.
Die Anforderungen an die Anlagentechnik entsprechen denen, die
für ein empfindliches Lebensmittel gelten. Die Anlage sollte
reinigungs- und sterilisationsfähig ausgeführt werden.
Das klingt sehr simpel und wird doch häufig missachtet. Insbesondere
bei sehr langen Leitungen wird die Nennweite häufig zu groß
gewählt, um den Druckverlust und die damit verbundene Pumpenleistung
niedrig zu halten. Bei Fließ-Geschwindigkeiten unterhalb
von 1,6 m/s muss damit gerechnet werden, dass sich Feststoffe
wie z.B. Sand in der Rohrleitung absetzen.
Abb.2
Mit "Aufwand" falsch eingeschweißtes Probenahmeventil
Häufig stellt sich die Frage, ab wo die vom Brunnen kommende
Leitung cip-fähig ausgeführt sein sollte? Die vertikale
Leitung vom Brunnen in die Brunnenstube ist der einzige Teil,
der nicht in die Reinigung eingebunden wird. Um eine Kontamination
des Brunnens auszuschließen, wird die Einbindung vermischungssicher
- bevorzugt mit Doppelsitz- oder Doppeldichtventilen -
ausgeführt. Es kann erwogen werden die CIP-Hilfsleitung während
des Betriebs auch als Produktleitung zu verwenden. Hierdurch werden
während des Betriebs die Fließgeschwindigkeit und die
Pumpenleistung reduziert. Falls diese Lösung gewählt
wird, sollte die Fließgeschwindigkeit während der CIP-Reinigung
bevorzugt bei über 2 m/s liegen. Falls es mit der Druckfestigkeit
der Bauteile vereinbar ist, darf die Fließgeschwindigkeit
während der CIP-Reinigung aber auch über 3 (bis etwa
3,5) m/s betragen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen,
dass einige Scheibenventiltypen bei diesen Fließgeschwindigkeiten
nicht geschlossen werden dürfen. Durch Kavitation kann bei
einigen Scheibenventilen die Dichtung aus ihrem Einbauraum herausgerissen
werden. Hier sollten entweder Scheibenventile eingesetzt werden,
die dieses Problem nicht aufweisen oder die Ventile sollten nur
geschaltet werden, wenn die Fließgeschwindigkeit niedrig
genug ist. Meist werden sehr wenig Ventile benötigt, sodass
erwogen werden sollte, Sitzventile mit eingeschweißtem Gehäuse,
statt pneumatisch betätigter Zwischenflanschscheibenventile,
zu verwenden.
Falls lösbare Rohrverbindungen aus technischen Gründen
notwendig sind, sollten sie nach DIN 11853 [hygienische Rohrverbindungen]
(früher 11864 kurz), bevorzugt als Flanschverbindung ausgeführt
werden. Die meisten Pumpenhersteller rüsten ihre Pumpen noch
standardmäßig mit Gewindestutzen nach DIN 11851 [”normale”
Milchrohrverschraubung] aus. Diese Verbindung ist relativ billig
und entspricht (noch) den anerkannten Regeln der Technik jedoch
nicht mehr dem Stand der Technik und auch nicht den hygienischen
Grundregeln, wie sie z.B. von der EHEDG veröffentlicht werden.
Bei Pumpen mit Gehäusen aus geschmiedetem Vormaterial oder
aus Feinguss sind lösbare Rohrverbindungen in der Regel unvermeidbar,
um die Pumpe reparieren zu können. Bei Pumpen mit Gehäusen
aus tiefgezogenem Blech, kann das Pumpengehäuse hingegen
eingeschweißt werden, sofern es hierfür eine Freigabe
vom Pumpenhersteller gibt. Abb.1 Eingeschweißte Kreiselpumpen
Da neben sedimentierbaren Feststoffen und einer relativ kleinen
Keimanzahl nicht mit anderen Verschmutzungen gerechnet werden
muss, ist die CIP-Reinigung relativ einfach. Falls die Leitung
kurz genug ist, sollte eine Reinigung mit Warmwasser (>80°C
im Rücklauf) geprüft werden. Bei längeren Leitungen
ist der Wärmeverlust in der Regel zu groß, sodass die
Warmreinigung mit vertretbarem Aufwand hier nicht durchführbar
ist. Im Regelfall wird bei langen Leitungen eine Reinigung mit
einem oxidativen Mittel wie Wasserstoffperoxid oder Peressigsäure
bzw. einem Gemisch aus beiden gewählt werden.
In der Pharmaindustrie versucht man Anlagen zu bauen, die sich
vollständig entleeren lassen, da es ohne Feuchtigkeit kein
mikrobiologisches Wachstum gibt. Um z.B. eine Restenleerung von
Kreiselpumpen zu erreichen, werden sie mit Ablassventilen ausgestattet
oder vertikal montiert. Für Anlagen, die nur wenige Male
im Jahr benutzt werden, kann dieser Denkansatz richtig sein.
Produktionsanlagen in der Getränkeindustrie sind hingegen
regelmäßig in Betrieb. Deutlich effizienter als eine
vollständige Entleerung, ist eine ununterbrochene Druckbeaufschlagung
und -überwachung nach erfolgter Reinigung/Sterilisation.
Dies mag einfach klingen, in der Praxis kommt es bei der Umsetzung
aber regelmäßig zu Fehlern, wenn diese Technik angewendet
wird. Zunächst muss die Anlage vollständig sterilisiert
worden sein. Abzweigungen oder tote Enden lassen sich nicht oder
nur mit erheblichem Aufwand sterilisieren. Eventuell sind Ablass-
bzw. Entlüftungsventile nachzurüsten. Abb. 2 Mit „Aufwand”
falsch montiertes Probenahmeventil Bevorzugt werden ausschließlich
Ventile mit Endlagenrückmeldung eingesetzt. Taktungen d.h.
notwendige Ventilbetätigungen während der Reinigung,
zeigen in der Regel an, dass die Anlage nicht optimal ausgeführt
wurde.
Vor der Auftragsvergabe einer neuen Anlage an einen Anlagenbauer
sollte immer ein Lastenheft erstellt werden. Das Lastenheft sollte
im Vertrag noch vor der technischen Spezifikation genannt werden.
Bei widersprüchlichen Angaben sollte das Lastenheft verbindlich
sein.
Zur Entfernung von Feststoffen werden meistens Kerzenfilter eingesetzt.
Obwohl die Filtergehäuse in der Regel außen eine polierte
Oberfläche aufweisen, die an eine Christbaumkugel erinnert,
wird zur Spezifikation der Oberflächengüte der noch
gebräuchliche, aber wenig aussagekräftige, mittlere
Rauhigkeitswert Ra, angegeben. Ein Ra von < 0,8µm
ist inzwischen Standard. Man kann sich häufig nicht des Eindrucks
erwehren, dass viele Filtergehäuse nach dem Motto „mehr
scheinen als sein” zusammengestellt werden. Die Unbeschwertheit
mit der zahlreiche Filtergehäuse konstruiert werden, ist
erschreckend und wird nur noch von der Argumentationskette des
„geschulten” Verkäufers übertroffen.
Die Produktanschlüsse sollten bevorzugt als Schweißstutzen
geliefert werden. Flansche nach DIN 11853 sind die zweitbeste
Lösung und Milchrohrverschraubungen nach DIN 11851 sind nicht
mehr zeitgemäß. Gewindemuffen z.B. zum Einschrauben
von Entlüftungsventilen werden in der Regel damit „erklärt”,
dass sie sich auf der Unfiltratseite befinden würden. Eine
Konstruktion, die nicht durchgängig dem Stand der Technik
und den hygienischen Anforderungen genügt, sollte vom Kunden
nicht akzeptiert werden. Sofern nicht genormte Bauteile, wie z.B.
Ventile angebaut werden, sollte der Kunde Hersteller und Type
ohne Einfluss auf Garantie oder Gewährleistung frei wählen
dürfen.
Nicht die Filtergehäuse sondern die Filterkerzen sind das
Hauptgeschäft der Anbieter. Wenn ein Hersteller den Dornröschenschlaf
der Branche durchbrechen und zeitgemäße, kundenorientiert
ausgestattete Filtergehäuse anbieten würde, würde
er feststellen, dass Kunden nur dann nach dem Preis kaufen, wenn
die Waren praktisch identisch sind. Für einen Mehrwert bezahlt
der normale Kunde auch einen angemessenen Mehrpreis.
Um Kohlendioxid oder Sauerstoff in der gewünschten Menge
im Wasser lösen zu können, muss der Partialdruck erreicht
bzw. überschritten werden. Wenn vorher andere Gase entfernt
werden, sinkt der notwendige Partialdruck. Eine Kombination aus
Druckentgasung und -Karbonisierung ist technisch relativ einfach
zu realisieren. Nahezu alle Niedrigpreis-Premixer zur Herstellung
von karbonisierten Erfrischungsgetränken verwenden deshalb
dieses Verfahren. Insbesondere bei hohen Kohlendioxidgehalten
lassen sich hiermit sehr gute Ergebnisse erzielen. Leider sind
diese Funktionseinheiten nur äußerst schwierig so zu
konzipieren, dass sie heutigen Anforderungen an Hygiene und Reinigunsfähigkeit
entsprechen. Bei Vakuumentgasungen und Inline-Karbonisierungen
gibt es Ansätze für eine hygienische Ausführung.
Bypass- oder Rückführleitungen sowie T-Stücke verhindern
jedoch die Erreichung des Ziels bei den meisten angebotenen Anlagen.
Wenn es heute schon alles gäbe, was sollten denn dann die
Konstrukteure und Planer morgen konzipieren. Wenn man sich den
Fortschritt während der vergangenen 20 Jahre betrachtet,
kommt man leider zu dem Schluss, dass man bereits heute das Lastenheft
für die Entwicklungen der kommenden 20 Jahre schreiben könnte.
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