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Hygienische
Konstruktionen (hygienic design)
Haben
einige den Bezug zur Realität verloren?
Hygieia,
Göttin der Gesundheit stand Pate für den Begriff Hygiene
Dort
sind neue Nachbarn eingezogen, sie haben auf dem Balkon - nach
offensichtlich festgelegten Rieten - ein Schaf geschlachtet, der
Gestank und diese „Musik“ sind einfach ekelerregend.
Der
neue Mitarbeiter wird dabei erwischt, wie er sein Geschäft
im betriebseigenen, parkähnlichem Garten verrichtet. Er weigert
sich die Betriebstoilette aufzusuchen, da er es als unhygienisch
empfindet, sich auf eine Klobrille zu setzen, auf der vorher schon
jemand anderer saß.
„Ob
Hotel, Restaurant oder Toilette: In vielen Urlaubsländern
ist die Hygiene nicht immer perfekt“, leitete der Spiegel
in diesem Sommer einen Artikel ein.
Ein
verantwortlicher Mitarbeiter, einer von der EHEDG (European Hygienic
Engineering & Design Group) akkreditierten Organisation, behauptete
noch vor wenigen Wochen, dass ein Scheibenventil nach den EHEDG
Richtlinien nicht zertifiziert werden kann, da es nicht hygienisch
sei.
Hier
irrte der Kollege, denn zu diesem Zeitpunkt gab es bereits ein
nach EHEDG zertifiziertes Scheibenventil.
Offensichtlich
haben selbst Fachleute häufig nur eine nebulöse Vorstellung
davon, was Hygiene bedeutet.
Spontan
kommen häufig Erklärungsversuche wie, Keimfreiheit oder
Reinigbarkeit. Wie will man aber mit solchen Definitionen z.B.
Schlafhygiene, Strahlenhygiene oder politische Hygiene erklären?
Das
Wort Hygiene wurde abgeleitet von der griechischen Göttin
Hygéia, der Göttin der Gesundheit. Unter Hygiene versteht
man heute alles, was der Gesundheit und dem Wohlbefinden im weitesten
Sinne dienlich ist. Umgekehrt wird als unhygienisch eingestuft,
was unser Wohlbefinden oder unsere Gesundheit stört. Keime
stören das Wohlbefinden im Allgemeinen nur, wenn sie eine
Krankheit auslösen oder zum Beispiel wenn sie sichtbar an
Wänden oder auf Lebensmitteln wachsen.
Lärm,
Gerüche oder Zugluft stören viel häufiger das Wohlbefinden,
kommen aber den meisten Menschen bei hygienischen Anforderungen
kaum in den Sinn.
Wie
bei so vielen Dingen versucht man Hygiene objektiv messbar zu
machen. Dies ist jedoch nicht möglich, da es mit den subjektiven
Wertevorstellungen eines jeden einzelnen zu tun hat. Das heißt
für einen gläubigen Juden bedeutet eine hygienisch einwandfreie
Speisenzubereitung zwingend eine koschere Speisenzubereitung.
Hygienische
Anforderungen unterscheiden sich aus Sicht ein und derselben Person.
Zum Beispiel wird man bei einem pharmazeutischen Unternehmen,
einem Lebensmittelbetrieb oder bei der bäuerlichen Ernte
vollkommen unterschiedliche Erwartungen bezüglich der Hygiene
haben. Getreide, das auf dem Feld monatelang Einflüssen von
Autoreifenabrieb bis hin zu Vogelkot ausgesetzt war, wird man
ohne Bedenken auf offenen Anhängern transportieren, Probierhappen
im Supermarkt, die auf der Theke stehend dem Einfluss z.B. hustender
Kunden ausgesetzt sind, werden hier bereits als hygienisch problematisch
eingestuft.
Wasserdruckminderer
zum Ausschieben von Produkt, ungeeignete Ausführung unfachmännisch
montiert
Auch
innerhalb von Lebensmittelbetrieben sind die Vorstellungen abgestuft.
Niemand würde in einem Schlachthof ähnliche Verhältnisse
wie in einer Eiskremfabrik erwarten.
Aseptik
bedeutet eigentlich Keimfreiheit [Sepsis griech. Fäulnis].
Aseptik wird von vielen als eine edlere Art der Hygiene angesehen.
Aseptisches Arbeiten mag für einen Mediziner eine Steigerung
von hygienischem Arbeiten sein, in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie
sind dies jedoch vollkommen andere Anforderungen.
Ein
ganz wichtiger Aspekt der Hygiene ist der Ekel, der bei der Definition
der Aseptik nicht vorkommt. Sicherlich gibt es Personen, die sich
während des Abendessens die aseptisch durchgeführte
Schönheitsoperation in Farbe und Großaufnahme ansehen.
Den meisten vergeht jedoch dabei der Appetit, da sie sich ekeln.
Was
hygienisch oder unhygienisch ist hat somit sehr stark vom jeweiligen
Kulturkreis mit entsprechenden Wertevorstellungen eines jeden
einzelnen Individuums zu tun.
In
Japan ekeln sich Leute vor den Bakterienleichen, die nach der
Pasteurisierung in Getränken verbleiben. Für diese Leute
ist nur eine entsprechende Filtration hygienisch akzeptabel.
Hygienisch
einwandfrei - im wahrsten Sinne des Wortes - zu arbeiten, bedeutet
die Erwartungen von Mitarbeitern und Kunden soweit dies technisch
und wirtschaftlich möglich ist, umzusetzen. Der Aspekt, das
krankmachende Stoffe oder Keime, die vorgeschriebenen Grenzwerte
nicht überschreiten dürfen, bleibt davon unberührt.
Die Einhaltung dieser Grenzwerte ist im allgemeinen auch mit wenig
hygienisch anmutenden Maßnahmen zu erfüllen.
So,
wie krankmachende Keime in einem Labor der Getränkeindustrie
nicht vermehrt werden dürfen und deshalb ungefährliche
Indikatorkeime gesucht werden, so haben einige Hygienemaßnahmen
einen vergleichbaren Indikationscharakter.
So
schließt mancher Zeitgenosse von dem Zustand der sanitären
Einrichtungen einer Gaststätte direkt auf die Hygiene in
der Küche.
Die
als Schiffchen bezeichnete weiße Kopfbedeckung des Eisverkäufers
dient einzig und allein dem gleichen Zweck, da sie nicht dazu
geeignet ist, z.B. Haare oder Schuppen davon abzuhalten auf das
Eis zu fallen, ist sie, da sie mindestens täglich gewechselt
werden muss um sauber zu erscheinen, sehr gut dazu geeignet ein
bestimmtes Maß an Sauberkeit zu demonstrieren.
Die
EHEDG erarbeitet Richtlinien und Empfehlungen für hygienisch
einwandfreie Konstruktionen und Ausführungen. Von der EHEDG
akkreditierte Organisationen führen entsprechende Prüfungen
durch und zertifizieren Bauteile, so dass sie das EHEDG-Logo werbetechnisch
nutzen dürfen. Die EHEDG leistet hier hervorragende Arbeit,
wenn auch die praktische Prüfung am Bauteil ursprünglich
nicht vorgesehen war und heute nicht unumstritten ist. Die EHEDG
ist teilweise gezwungen recht abstrakte Formulierungen zu wählen
damit Bauteile, die sich seit Jahren in der hygienischen Lebensmittel-
und Getränkeindustrie im Produktbereich bewährt haben,
nicht auf einmal ausgeschlossen werden. Diese Formulierungen lassen
- ähnlich wie Gesetzestexte - einen gewissen Interpretationsspielraum.
Die EHEDG beschäftigt sich ferner nur mit einem kleinen Bereich
der Hygiene. Die Reinigungsfähigkeit und Betriebssicherheit
steht klar im Vordergrund.
Einige
Aspekte der Hygiene wie z.B. die Ergonomie werden von der EHEDG
nicht betrachtet. Sie sind aber äußerst wichtig, wenn
man die Hygiene nicht zu einer Wissenschaft der Reinigungsfähigkeit
degradieren will.
Hygienic
design sollte deshalb nicht auf einzelne Bauteile angewandt sondern
immer im Ganzen betrachtet werden.
Die
Frage, ob ein Industriekugelhahn hygienisch einwandfrei ist, darf
man deshalb nicht pauschal verneinen. Es kommt darauf an, wo und
wofür er eingesetzt wird. Wenn er das Absperrorgan zwischen
Wasserleitung und schlauch darstellt, wird ihn kaum jemand aus
hygienischen sondern eher aus technischen Gründen dort nicht
einsetzen wollen. Auch wenn Schläuche nach Möglichkeit
vermieden werden sollten, sind sie zum Anschluss von Tankwagen
oder Großcontainern erforderlich. Um einen Fußboden
zu reinigen, damit ein hygienisch einwandfreies Produktionsumfeld
geschaffen wird, ist ein Wasserschlauch unentbehrlich. Als Absperrorgan
für Produkt hingegen ist der Industriekugelhahn, wegen seiner
ungenügenden Reinigungsfähigkeit, als unhygienisch abzulehnen.
UV-Sterilisation
mit unhygienischen Flanschverbindungen und unhygienischem Industriekugelhahn
Ergonomie
ist im wesentlichen die Verbindung zwischen Mensch und Maschine.
Da eine unbefriedigende Ergonomie sehr nachhaltig das Wohlbefinden
stören und sogar krank machen kann, ist sie unzweifelhaft
ein wichtiger Teil der Hygiene. Die Zugänglichkeit für
die Bedienung und Wartung fallen einem hier zuerst ein. Farbliche
Gestaltung, Beleuchtung, Geräusche, Vibrationen, Wartungs-
und Betriebsanleitungen (!) oder die Gestaltung der Software einer
Maschine oder Anlage werden zunächst vergessen.
Eine
Konstruktion, die diese Aspekte nicht berücksichtigt wird
möglicherweise rein zufällig hygienisch sein. Aus eigener
Erfahrung weiß man, dass dies jedoch leider sehr selten
der Fall ist. Erst wenn man sich diese Zusammenhänge bewusst
macht, kann man die hygienische Gestaltung von Maschinen und Anlagen
bewerten. Das was von einigen Anlagenbauern als Dokumentation
geliefert und von Getränkebetrieben akzeptiert wird ist aus
hygienischer Sicht ähnlich schlimm, wie eine mangelnde Reinigungsfähigkeit.
Eine
ausreichend helle, blendfreie Beleuchtung mit bewusst gewählter
Farbtemperatur ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für
einen hygienischen Betrieb. Die Leuchtquelle selbst sollte möglichst
großflächig sein, um harte Schatten zu vermeiden.
Möglicherweise
haben einige schon einmal im Frankfurter Flughafen den Fluggasttunnel,
das ist die Verbindung im Terminal 1 zwischen Bereich A und Bereich
B (Verbindung des nationalen zum internationalen Bereich), benutzt?
Dies
ist ein relativ langer, schmaler und niedriger Tunnel mit einem
Laufband an jeder Seite und einem Gang in der Mitte. Das besondere
an diesem Tunnel sind jedoch
· die ungewöhnliche Beleuchtung und
· die leise „Musik“
Die Farbtemperatur und Intensität ändern sich abschnittsweise
und zwar gleichzeitig zu sehr leisen, melodischen Geräusche.
Das Ziel war, den relativen langen Weg interessanter und damit
kurzweiliger zu gestalten. Die Initiatoren hatten nicht die Absicht
das Wohlbefinden der Nutzer negativ zu beeinflussen. Die Geräusche
und die Beleuchtung sind jedoch so fremdartig, dass sich beim
Benutzer des Tunnels eher eine Orientierungslosigkeit mit gewissen
- nicht unbedingt ins Bewusstsein vordringenden - Ängsten
einstellt. Angst und Orientierungslosigkeit mögen für
den einen oder anderen eine gewisse Abwechslung darstellen, sind
aber aus hygienischer Sicht dafür keine geeigneten Maßnahmen.
Volkswagen hat vor Jahren eine blaue Instrumentenbeleuchtung eingeführt
und hält an diesem ergonomischen Unsinn ähnlich störrisch
fest wie BMW am i-drive.
Wenn
man bei der Internetsuchmaschine Google das Wort „Farbpsychologie“
eingibt, erhält man ungefähr 32.900 Treffer.
Sofern
Bauteile nicht komplett aus Edelstahl gefertigt sind, wählen
viele Firmen den Farbanstrich nach ihren eigenen Hausfarben aus.
Diese Hausfarben haben jedoch äußerst selten das Ziel
eine ergonomisch günstige Arbeitsumgebung zu schaffen.
Erst
wenn man sich und dem Lieferanten dies bewusst macht, kann man
es möglicherweise ändern; denn Farben haben nachweislich
einen sehr starken Einfluss auf das Wohlbefinden und sollten nicht
primär dazu dienen ein Bauteil einem bestimmtes Lieferanten
zuordnen zu können.
Wenn
man nun zur Bewertung einer technischen Lösung aus hygienischer
Sicht folgende Fragen stellt:
§ Ist diese Lösung für das Wohlbefinden des Menschen
positiv?
§ Gibt es bessere, wirtschaftlich vertretbare Lösungen?
Wird man zum einen feststellen, das gute Lösungen nicht zwangsläufig
die teuersten und aufwendigsten sein müssen und dass es fast
immer Verbesserungsmöglichkeiten gibt.
Sicherlich
sind im Lauf der Jahre die hygienischen Anforderungen entsprechend
geänderter Wertenormen gestiegen. So ist ein mit Flachdichtung
oder Teflonband in eine Muffe eingeschraubtes Probenahmeventil
für den Produkt- oder CIP-Bereich heute nicht mehr akzeptabel.
Es muss aber auch nicht gleich ein aseptisches Probenahmeventil
zur Entnahme mikrobiologisch unkritischer Proben eingesetzt werden.
Geeignete Probenahmeventile werden bevorzugt eingeschweißt.
Eine zum Produktraum hin frontbündige Abdichtung, mit metallischem
Anschlag, um einen definierten Dichtungsraum mit definierter Dichtungsvorspannung
zu erreichen in Verbindung mit einer Leckagebohrung, die anzeigt
wenn die Dichtung defekt ist, ist ebenfalls akzeptabel
Skizze,
einfache, hygienische Montagemöglichkeit eines Probenahmeventils
Einwandfrei
ausgeführte Schweißverbindungen sind die beste und
dauerhafteste Verbindung. Selbst Pumpengehäuse können
in die Rohrleitung fest eingeschweißt werden, wenn die Wartung
dadurch nicht beeinträchtigt wird. Leider ist die Qualität
der Schweißnähte häufig nicht befriedigend und
führt häufig zum Streit darüber, was hygienisch
akzeptabel ist. Schweißfachingenieure der technischen Überwachungsvereine
haben teilweise Vorstellungen von fachmännisch ausgeführten
Schweißnähten, die eher an den Schiffbau als an Lebensmittelbetriebe
erinnern. Die einschlägigen Normen sind ebenfalls nur sehr
bedingt geeignet eine hygienisch einwandfreie Schweißverbindung
zu definieren. Es kann deshalb nur empfohlen werden, sich Grenzmuster
anzuschaffen, und diese Grenzmuster vertraglich einzubinden.
Vereinigung
mehrerer Fehler in einer Schweißnaht
Auf
lösbare Rohrverbindungen sollte soweit wie möglich verzichtet
werden. Magnetisch induktive Durchflussmesser vom Marktführer
können z.B. in Einschweißausführung trotzdem demontiert
werden, da nur ein zum Lieferumfang gehörendes Flanschpaar
eingeschweißt wird. Rückschlagventile sollten prinzipiell
als hygienische Zwischenflanschausführung eingesetzt werden,
die übrigens, wenn man die Gegenverschraubungen berücksichtigt,
häufig preisgünstiger ist, als die Ausführung mit
Gewindestutzen nach DIN 11851. Rohrverbindungen gemäß
der Aseptiknorm DIN 11864 werden nun auch in einer Lebensmittelvariante
gemäß DIN 11853 mit kurzen Stutzen gefertigt. Der Preisunterschied
zur Verschraubung nach DIN 11851 ist so gering, dass die Vorteile,
wie Zentrierung und metallischer Anschlag den Mehrpreis mehr als
aufwiegen.
Unhygienische
Montage eines Probenahmeventils mit Flachdichtung
Durch
den Besuch von Tagungen und Messen sind sehr viele der Meinung,
Berater oder technische Revisoren nicht mehr zu benötigen.
Lieferanten und Anwendungsberater liefern die Beratung scheinbar
kostenlos mit.
Wenn
man jedoch kürzlich ausgeführte Anlagen auf den Prüfstand
stellt, stellt man meist fest, dass man eine bessere und somit
auch häufig wirtschaftlichere Lösung für vergleichbare
Investitionskosten hätte installieren können.
Wenn
ein Hersteller reinigungs- und sterilisierbare Armaturen, Apparate,
Maschinen oder Anlagen herstellt, sollte er sie auch so benennen,
denn Hygiene umfasst etwas anderes. In bestimmten Bereichen wie
der Ergonomie, meist deutlich mehr und wenn es um die Keimfreiheit
oder Sterilisierbarkeit geht, häufig wesentlich weniger.
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