Benötigt
Hefe von High Gravity Bieren besondere Pflege?
Die
Hefe ein eigensinniges, kleines Tier?
Brauer auf der ganzen Welt respektieren die Hefe. Die hochwertigsten
Anlagen und modernsten Technologien nützen wenig, wenn
die Hefe nicht das tut, was der Brauer will.
Die
Hefe, als Einzeller mit echtem Zellkern, gehört zwar im
Gegensatz zu den Bakterien zu den höheren Lebewesen, steht
aber, wenn man die Entwicklung allen Lebens sich anschaut, deutlich
unterhalb von Pflanzen und Tieren.
Wenn
der Brauer von Hefe spricht, meint er seine Bierhefe Saccharomyces
cerevisiae, zu der aber auch Back- und Weinhefen gehören.
Hefestämme, auch von anderen Brauereien oder von anderen
Biersorten, selbst in der selben Brauerei, bezeichnet der Brauer
als „Fremdhefe“.
Technologie
in Deutschland
Ein Großteil der Forschung der Brauereitechnologie geschieht
in Deutschland. Es ist deshalb sicherlich auch für ausländische
Brauer von Interesse zu verstehen, wie der deutsche Brauer sein
Bier herstellt, welche Ziele die Forschung in Deutschland hat
und welche Forschungsergebnisse für international tätige
Brauereien von Nutzen sein können.
Weit
über die Hälfte des in Deutschland produzierten, untergärigen
Bieres wird mit nur 2 verschiedenen Hefestämmen hergestellt.
Obwohl Deutschland eine große Biervielfalt liefert, streben
die meisten deutschen Brauer nach einem möglichst neutralen
Bier.
Einige
Brauer verkaufen Jungbier mit entsprechend hohem Acetaldehyd-Gehalt
und entsprechender Werbeunterstützung recht erfolgreich,
da es Kunden gibt, die einfach nur einen anderen, als den Einheitsgeschmack
wünschen.
Es
wäre jedoch falsch zu sagen, dass dieser Geschmack erstrebenswert
wäre. Einige Leser haben vielleicht davon gehört,
dass eine der weltbekanntesten Brauereien bis noch vor etwa
10 Jahren in 98 % des Bieres Diacethylgehalte von 0,4 mg/l,
als Resultat einer bakteriellen Kontamination, aufwies.
Nachdem
die Brauerei die Gärung von offenen Holzbottichen auf geschlossene
Gärtanks vollzogen hatte, hatte sich auch der Biergeschmack
deutlich verändert. Der aktuelle, unveränderte Erfolg
dieser Brauerei zeigt jedoch, dass die Masse der Biertrinker
nicht unbedingt diesen Hausgeschmack erwartete.
Heute
sollte jeder Brauer zunächst in der Lage sein, ein „geschmacksneutrales“
Bier herzustellen und wenn es der Markt wünscht, sollte
er auch die Fähigkeit haben, kontrolliert durch Anhebung
der Konzentration bestimmter, dann gewünschter, Gärungsnebenprodukte
den Geschmack anzupassen.
In
der Regel wird jedoch jeder erhöhte Anteil von Gärungsnebenprodukten
von der Mehrzahl der Konsumenten als Geschmacksfehler angesehen,
d.h. jedes Bier mit besonderem „Aroma“ ist immer
für Minderheiten bestimmt.
Große,
überregional tätige Brauereien, insbesondere wenn
sie in bestimmten Märkten die volumenmäßige
Führung übernehmen wollen, müssen auf jeden Fall
mindestens ein geschmacksneutrales Bier im Angebot haben. Ob
daneben bewusst noch eine Biersorte mit einem „Geschmacksfehler“
produziert werden soll, ist eine sehr ernste Entscheidung für
bestimmte, häufig auch zahlungswilligere, Zielgruppen.
Bier
in Deutschland wird aus 100% Malz mit einer Stammwürze
von meist zwischen 11 und 12°Plato hergestellt. Hieraus
ergeben sich Alkoholgehalte um 5 % Vol.. High Gravity Brewing
(HGB) wird nach Kenntnis des Verfassers nur von 3 Brauereien
in Deutschland angewandt.
Zahlreiche
Brauereien vergären unter Druck, insbesondere um die Bildung
von unerwünschten Gärungsnebenprodukten zu reduzieren.
Üblicherweise
wird die Hefe geerntet und etwa 5 mal wieder verwendet, es gibt
aber auch Brauereien, die ausschließlich frisch hergezogene
Hefe verwenden und Brauereien, die die (untergärige) Hefe
35 mal und häufiger zum Anstellen benutzen. Die Qualität
der Biere ist kein Argument für oder gegen die eine oder
andere Vorgehensweise.
Die
frisch hergezogene Hefe wird häufig als Reinzucht bezeichnet.
Meist wird eine Reinzucht im klassischen Sinne jedoch nur ein
bis zweimal im Jahr von der VLB Berlin oder aus Weihenstephan
bezogen, wobei aus Weihenstephan teilweise etwas bezogen wird,
das zwar als Reinzucht bezeichnet wird, aber auch keine Reinzucht
im engeren Sinne ist.
Diese
als „Reinzucht bezeichnete Herführung“ beruht
darauf, das ein Teil der Reinzucht aufgespart wird und dann
wieder zur Vermehrung genutzt wird und dies über Zeiträume
hinweg von bis zu einem Jahr. Eine Reinzucht im engeren Sinne
basiert immer auf der direkten gradlinigen Vermehrung einer
einzelnen Hefezelle. Die Darstellung der verschiedenen Möglichkeiten
der Hefereinzucht bzw. -vermehrung (auch die Hefereinzucht ist
eine Hefevermehrung, aber nicht jede Hefevermehrung ist eine
Hefereinzucht) würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen.
Hefebehandlung,
aber wie?
Nachfolgend wird nun kurz dargestellt, wie nach dem heutigen
Stand von Wissenschaft und Technik aus dem subjektiven Standpunkt
des Verfassers die Hefe in der Brauerei behandelt werden sollte,
damit sie das tut, was wir Brauer wollen.
Die Hefe ist weder Tier noch Pflanze und
ihr Stoffwechsel gehorcht sehr einfachen Faktoren:
· Angebot an Nährstoffen und deren Konzentration
· Vorhandensein und Konzentration von Stoffwechselprodukten
der Hefe
· Vorhandensein von Zellgiften und deren Konzentration
· Temperatur
· Druck
· Zeit
Aus wissenschaftlicher Sicht ist diese Liste natürlich
nicht komplett, Strahlung z.B. hat mit Sicherheit einen Einfluss,
ist aus praktischen Überlegungen heraus aber zu vernachlässigen.
Ebenso bleiben Faktoren, die der Brauer mit vertretbaren Mitteln
nicht beeinflussen kann, hierzu zählt z.B. die Erdbeschleunigung,
unberücksichtigt.
Über die Bierqualität kann man
lange philosophieren, unzweifelhaft ist sicherlich, dass eine
hohe Bierqualität immer eine hohe Gleichmäßigkeit
der Qualität einschließt. D.h. alles was getan wird
muss reproduzierbar sein.
Fremdkeime jeder Art sind im Normalfall
zu vermeiden. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind die Stoffwechselprodukte
von Fremdkeimen schädlich für das Bier und/oder die
Hefe.
Bei einer heute üblichen Arbeitsweise
ist es problemlos möglich, Hefe nahezu unbegrenzt zu führen
ohne sie mit Fremdkeimen zu kontaminieren. Durch Mutation der
Hefe können (müssen aber nicht) sich das Gärverhalten
und insbesondere auch die Eigenschaften zur Bildung von Gärungsnebenprodukten
verändern.
Hefeernte:
Damit die Hefe nachrutschen kann, sollte die Hefe sehr langsam
(d.h. z.B. in 4 bis 6 h, bei einem Konuswinkel der flacher als
60° ist, eventuell auch wesentlich länger) aus dem
zylindrokonischen Gärtank geerntet werden.
· Ein Magnetisch-Induktiver Durchflussmengenmesser in
Verbindung mit
· einer Regelklappe und
· einem Sensor der zwischen Bier und Hefe unterscheiden
kann, sind allgemein vollkommen ausreichend zur Steuerung der
Hefeernte.
Zwangsfördernde Pumpen oder echte Regelventile bieten bei
normalen räumlichen Verhältnissen keine Vorteile.
Das
Ernten der Hefe beim Schlauchen mit Hilfe einer Jungbierzentrifuge
kann ausgezeichnete Ergebnisse bringen. Auch für die Reifungs-
und Stabilisierungsphase ist es vorteilhaft, mit konstanten
Zellzahlen zu arbeiten. Eine Schädigung von Bier oder Hefe
ist bei modernen Zentrifugen nicht zu befürchten. Spätere
Einsparungen bei der Bierfiltration, z.B. an Filterhilfsmitteln,
rechtfertigen den Einsatz einer Jungbierzentrifuge hingegen
meist nur teilweise, dies ist jedoch von vielen Faktoren abhängig
und soll hier nicht weiter erörtert werden.
Hefebehandlung/-aufbewahrung:
Selbstverständlich sollte die Hefe nicht unnötig lange
aufbewahrt werden.
Der Temperaturunterschied innerhalb der
Ernte-Hefe kann 10°C betragen. Es wird empfohlen, mit einem
geeigneten Durchlaufkühler die gesamte Hefe während
der Ernte auf die Temperatur zu kühlen, die die größte
Menge, der kältesten, geernteten Hefe hat.
Eine
Sauerstoffaufnahme ist zu vermeiden, da der Sauerstoff den Stoffwechsel
der Hefe anregt und bei fehlenden Nährstoffen die Hefe
durch „Kannibalisierung“ geschwächt würde.
Alleine aus diesem Grunde verbietet sich der Einsatz eines Hefesiebes
an dieser Stelle.
Alkohol ist für die Hefe ein Zellgift.
Es gibt keinen in Stein gemeißelten Wert, der nicht überschritten
werden darf, da der Grenzwert unter anderem auch vom Hefestamm
abhängt.
Allgemeingültig sind Alkoholgehalte
von unter 5 % Vol. anzustreben. Zum Verdünnen der Hefe
kommt idealerweise entalkoholisiertes Bier zum Einsatz. Wenn
dieses nicht zur Verfügung steht, können auch Vor-
bzw. Nachlauf vom Filter, wenn mikrobiologisch einwandfrei oder
entgastes Wasser verwendet werden. Das entalkoholisierte Bier
oder entgaste Wasser kann im Hefetank vorgelegt werden, wenn
die Erntehefemenge z.B. bei einer Ernte mit Zentrifuge im voraus
feststeht, sonst ist ein nachträgliches Auffüllen
oder ein kontinuierliches zudosieren empfehlenswert. Je nach
zu erwartender Aufbewahrungszeit ist die Temperatur für
die Aufbewahrung zu wählen. Je länger desto kälter,
wobei auch bei einer langen Aufbewahrungszeit eine Temperatur
oberhalb des Gefrierpunktes, der bei 5% Vol. Alkohol ca. minus
2.5°C beträgt, eingestellt wird.
Falls möglich, ist insbesondere bei
einer längeren Aufbewahrungszeit (über 48 h) die Versorgung
mit Nährstoffen z.B. durch die Zugabe von Würze, anzustreben.
Beim Kühlen bzw. Temperieren sind
die Grenzflächentemperaturen zu beachten. Ab einer bestimmten
Tankgröße kommen hier sinnvollerweise ausschließlich
externe Wärmeübertrager zum Einsatz. Die konstruktive
Gestaltung muss natürlich höchsten Ansprüchen
an Reinigungs- und Sterilisierbarkeit genügen.
Geeignete (!) Pumpenrührwerke sind
fest eingebauten Rührwerken überlegen, obwohl moderne,
speziell für den Einsatz in Hefetanks entwickelte Rührwerke
bei entsprechender Wartung technisch und mikrobiologisch problemlos
zu betreiben sind. Bei vernachlässigter Wartung kann jedoch
auch bei diesen Spezialrührwerken die Abdichtung der Wellendurchführung
zu einem ernsten Kontaminationsproblem werden.
Beim Aufbewahren der Hefe versucht man
den Stoffwechsel zu minimieren.
Der Druck ist gering zu halten.
Eine Entfernung von gelöstem CO2
scheint für die Hefeaufbewahrung ohne Einfluss zu sein.
Vorbereiten
zum Anstellen
Nach dem Anstellen soll die Hefe möglichst schnell ihre
Arbeit aufnehmen. Dafür muss die Hefe vorbereitet d.h.
der Stoffwechsel muss angeregt werden.
Ein kontrolliertes
· Belüften und
· Temperieren,
das zu einem festgelegten Zeitpunkt vor dem Anstellen beginnt,
ist sehr wichtig.
Die Regelung der Temperatur sollte bevorzugt
nicht durch eine Istwertmessung im Hefe-Tank erfolgen. Durch
eine Energiebilanzmessung der zu- und abführenden Ströme
des Kälte- oder Heizmediums ist eine präzisere und
schnellere Messung und damit auch eine schnellere und damit
auch genauere Regelung unter maximaler Produktschonung möglich.
Schlusswort
Die wesentlichen Unterschiede zwischen Bieren in Deutschland
und vielen Bieren im Ausland wie z.B. die Verwendung von Rohfrucht,
haben, so fern sie nicht extrem betrieben werden, keinen Einfluss
auf die Hefebehandlung.
In Deutschland war high gravity brewing
jahrelang verboten und ist bei den installierten Kapazitäten
für die meisten deutschen Brauer wirtschaftlich nicht interessant
und wird deshalb nicht eingesetzt.
Beim
high gravity brewing ist jedoch durch den höheren Alkoholgehalt
in der Erntehefe ein Zellgift in ernstzunehmender Menge vorhanden,
dass jedoch relativ einfach, durch Verdünnung reduziert
werden kann.